„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten“ von Carl Gustav Jung – Die Betrachtung eines Zitats

„Denken ist schwer, darum urteilen die meiste.“ ist ein Zitat von Carl Gustav Jung, einem schweizerischen Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie. Stimmt es, was Jung in seinem Ausspruch behauptet? Im Folgenden wird näher darauf eingegangen.

Schwierigkeiten mit Zitaten

Es ist so eine Sache mit Zitaten. Vieles kann so oder so interpretiert werden. Ein Mensch kann durch seine Erfahrungen einen ganz anderen Blick auf ein Zitat haben als ein anderer Mensch mit ganz anderen Erfahrungen. Das macht es schwierig, einen Spruch korrekt zu interpretieren. Vor allem, etwas herauszuinterpretieren und nichts hineinzuinterpretieren.

Was ist Denken?

Als „Denken“ bezeichnen wir alle möglichen kognitiven Tätigkeiten, die Träume, Vorstellungen, Ideen, Pläne und dergleichen betrifft. Auf jeden Fall kann man es von Gefühlen trennen. Wenn ich Angst empfinde, dann denke ich nicht. Dann habe ich ein Gefühl, doch wenn ich mir etwas vorstelle, dann denke ich. Denken ist ein aktiver Prozess, und je abstrakter das ist, was ich denke, desto schwieriger und anstrengender ist das Denken.

Was ist ein Urteil?

Urteile sind im psychologischen Sinne das Bewerten eines Urteilsobjektes, was eine Person, eine Situation oder ein anderer Umstand sein kann. Diese Objekte werden mit einem Wert verknüpft. Also ist das Urteilen ein Teil von uns und es ist unmöglich, nicht zu urteilen. Selbst wenn man sagt, dass man nicht urteilen solle, urteilt man über das urteilen, das man für unangebracht hält.

Was kann Jung also nun gemeint haben?

Jung könnte gemeint haben, dass viele Menschen etwas sehen und sofort ein Etikett darauf kleben. Es wird nicht näher hinterfragt, nicht näher beleuchtet oder bedacht, sondern sofort geurteilt. Später wird dieses Urteil auch nicht revidiert, weil es ja schon ein Etikett hat, und da steht eben drauf, dass ich es mag oder nicht mag. Benutzt nun jemand etwas mehr seinen Verstand, wird er dem ersten Urteilstrieb zunächst widerstehen und dem Urteilsobjekt eine Chance geben, sich sozusagen zu verteidigen. Auch bereits gefallene Urteile können durch einen denkenden Menschen hinterfragt werden und gegebenenfalls abgeändert oder komplett aufgegeben werden. Der nicht-denkende Mensch Urteilt also sofort, ist Argumenten nicht zugänglich. Ein denkender Mensch urteilt auch, jedoch später und er kann seine Urteile auch besser begründen, als mit einem „ist eben so“. Er wägt Argumente ab, hinterfragt, blickt hinter die Dinge.

Stimmt also diese Aussage, die in dem Zitat steckt?

Es ist mit einem klaren Jein zu beantworten. Zwar unterscheidet Jung zwischen Menschen, die ihren Verstand gebrauchen und die, die es nicht tun, doch es urteilen nicht nur die, die das Denken eher meiden. Jeder muss ein Urteil fällen. Doch der denkende Mensch, der seinen Verstand gebraucht und es auch gerne tut, wird erkennen, dass sich Urteile ständig ändern und ändern müssen. Dass auch am Urteil selbst nichts schlechtes ist, da es uns Orientierung in einer Welt gibt, die viel größer ist als wir selbst.