„Dar“ oder „da“? Wann wird das Wort „da“ und wann das Wort „dar“ verwendet?

„Dar“ und „da“ klingen fast gleich, aber es sind unterschiedliche Wörter, und sie haben auch eine unterschiedliche Bedeutung. Von daher ist diese Anfrage eines Users sehr berechtigt, auch wenn sie vielleicht seltener gestellt wird. Verkürzt und unverständlich auf „Grammatisch“ geantwortet: Das eine Wort, „da“, hat eine eigenständige Rolle, das andere, „dar“, ist ein Wortteil, auch wenn es manchmal alleine zu stehen scheint. Ruhig, Brauner, erklären wir hier alles mit Beispielen und anwendungsbezogen.

Das Wort „da“ in seinen Verwendungen

Das Wort „da“ ist ein Adverb1 wie „hier“, „dort“, „gestern“, „bald“, „trotzdem“, „stets“, „gern“ und kann daher im Satz eigenständig stehen.

Meist bezeichnet „da“ einen bestimmten Ort – „da und nicht hier“ – und hat dann praktisch die gleiche Bedeutung wie „dort“. Manchmal benutzt man „da“ auch als Angabe für einen bestimmten Zeitpunkt:2 „Da haben wir gelacht“„Da siehst du, was du angerichtet hast“„Da war es um ihn geschehen“. Manchmal auch übertragen im Sinne von „in dieser Situation“: „Da hast du Recht“„Was kann man da machen?“

Und „da“ gibt es noch in einer zweiten Funktion, nämlich als Einleitungswort zu einem Nebensatz (d.h. grammatisch als Konjunktion). In dieser Funktion steht „da“ (stilistisch ein wenig „gehoben“) für „weil“: „Da er das Dorf kannte, zog es ihn in die Stadt“„Da du nicht mitkommen willst, fahren wir eben alleine“.

„Da“ gibt es also als eigenständiges Wort, d.h. es ist nicht notwendig Teil eines anderen Wortes.3 Je nach seiner Funktion kann man „da“ im Satz ersetzen durch „dort“, „hier“, „in dieser Situation“ oder eben auch durch „weil“. Und zwar natürlich ohne den Satz ansonsten umstellen zu müssen und ohne seine Bedeutung wesentlich zu ändern.

da und dar: same same but different
da und dar: ähnlich, aber in Bedeutung und Funktion nicht gleich

Das Wort „dar“ steht nur scheinbar solo

„Dar“ hingegen gibt es nicht alleine, sondern nur als Vorsilbe oder auch als Teil eines anderen Wortes.

Eine deutsche Spezialität: „unfeste Zusammenfügung“

Tückisch dabei: Es gibt im Deutschen „unfest zusammengefügte Verben“. Diese bilden samt ihrer Vorsilbe eigentlich ein Wort, aber als Hauptverb im Hauptsatz fallen sie auseinander. Genauer: Die Vorsilbe purzelt ganz ans Ende des Hauptsatzes.4 Verben mit der unfesten Vorsilbe „zu“ wären zum Beispiel „zumachen“ – „zuschließen“, – „zugeben“ – „zuschütten“: Im Hauptsatz , als Hauptverb mit grammatischer Form (=konjugiert) werden aus ihnen zwei Wörter (Mach die Tür zu“ – „Ich schließe die Kellertür immer zu.“ – „Er gab seinen Fehler schließlich zu.“ – „Anschließend schüttete der Bagger die Grube wieder zu.“). Solche unfest zusammengefügten Verben gibt es natürlich auch mit anderen typischen Vorsilben (aufmachen“ – „eintragen“ – „beifügen“ – „abmachen“ – „mitkommen“).5

Wo „dar“ vorkommt

Und unter solchen unfest zusammengefügten Verben gibt es auch welche, die die Vorsilbe „dar“ haben. Noch heute gebräuchlich sind:

darbieten – „Der Musiker bot ein abendfüllendes Programm dar.

darbringen – „Vor Aufbruch brachten die Jäger den Göttern ein Opfer dar.“ (nur noch selten und in bestimmten Wendungen, z.B. mit „Opfer“ und „Ständchen“)

darlegen – „Die Forscherin legte ihre Entdeckung mit vielen Beispielen und Bildern dar.“

darreichen – „Den Spargel reichen wir mit Butter oder mit Sauce Hollandaise dar.“

darstellen – „Der Schauspieler stellt in dieser Serie einen fiesen Schurken dar.“

dartun – „Umständlich tat der Kollege seine tausend Gründe für das mögliche Scheitern des Projekts dar.“ (aktuell nur noch selten gebräuchlich und fast bedeutungsgleich mit „darlegen“)

Wenn nicht als Hauptverb in Hauptsätzen benutzt, finden all diese Verben dann wieder zu einem Wort zusammen: „Der Musiker hat gestern ein vielfältiges Programm dargeboten“ – „Sie konnte ihre Meinung überzeugend darlegen“ – „Der Schauspieler wurde auf der Straße bespuckt, [Ende des Hauptsatzes, es folgt ein Nebensatz] weil er in der Serie einen Schurken darstellt.“

Natürlich gibt es auch von diesen dargestellten Verben abgeleitete Wörter, aber die sind ungefährlich, weil sie nicht auseinanderfallen können: „Darbietung“, „Darreichungsform“, „die Darstellerin“ usw.

Wenn man zwecks „Eselsbrücke“ nach einer anderen Bedeutung für „dar“ als Teil von Verben suchen wollte, ist das leider nicht so eindeutig möglich. Am ehesten noch findet sich „dar“ in der Bedeutungsumgebung von „hin“ und in der Geste des Anbietens.6

Dass „dar“ auch als Teil von (in der Regel örtlichen) Adverbien daherkommt, ist ebenfalls ungefährlich: Man kriegt sie nicht auseinander: „darauf“, „daran“, „darüber“, „darin“ usw.

Eselsbrücke für den Begriff Eselsbrücke
Eselsbrücke zu „dar und da“, mal bildhaft dargestellt

Eselsbrücken

Eigentlich sind Regeln verlässlicher und oft auch nicht komplizierter als „Eselsbrücken“, aber sie sind nicht so beliebt. Als Eselsbrücke für die Frage „Wann wird das Wort ‚dar‘ und wann wird ‚da‘ verwendet?“ könnte also dienen:

(1) Ersetze das betreffende Wort durch „dort“ oder „hier“. Wenn das möglich ist, ist „da“ die richtige Wahl. Die Ersetzung muss natürlich ohne Änderung des Satzes und ohne Zerstörung der direkt oder übertragen örtlichen Bedeutung („zu diesem Zeitpunkt“ oder „in dieser Situation“) funktionieren.

(2) Oder, am Anfang eines Nebensatzes, ersetze das betreffende Wort durch „weil“. Wenn das (ohne Sinnänderung) geht, ist „da“ ebenfalls richtig.

(3) Gegenprobe: Wenn das betreffende Wort am Ende des Hauptsatzes steht, suche davor im Hauptsatz nach Formen der oben aufgeführten Verben: „bieten“ (mit analoger Bedeutung auch „bringen“), „legen“ (analog „tun“), „reichen“ oder „stellen“. Denn die verbünden sich gern mit „dar“ zu ihrer dann neuen Bedeutung als unfest zusammengefügte Verben, wie oben dargelegt. Mit „da“ hingegen bilden diese 4-6 Stamm-Verben keine zusammengefügten Verben.

Und dann gibt es natürlich noch „Darth Vader“, aber der stellt ein ganz anderes Problem dar. 😉

Anmerkungen und Erläuterungen

Die User -Anfrage lautet wörtlich: Wann wird das Wort dar und wann da verwenden?

  1. Ein „Adverb“ oder auch „Umstandswort“, gehört, wie der Name schon sagt, zum Verb (Tätigkeitswort) und beschreibt inhaltlich oft näher Ort oder Art und Weise des Tuns. Als Adverbien / Umstandswörter sind diese Wörter nicht deklinierbar (d.h. mit grammatischen Endungen zu versehen).
  2. Beide Bedeutungen haben im Mittelhochdeutschen sogar verschiedene Wurzeln: als Adverb des Ortes kommt „da“ von mhd. „dā(r)“ mit damals langsam schwindendem „r“, das sich nur noch in bestimmten Verbindungen hielt. Als Adverb der Zeit kommt „da“ von mhd. „dō“. Aber das kann uns egal sein. Zur Sprachentwicklung gibt es weitaus interessantere Themen, z.B. die unterschiedliche, politisch umkämpfte Entwicklung von „ade“ und „adieu“.
  3. Genau genommen gibt es „da“ auch als Vorsilbe für bestimmte „unfest zusammengefügte Verben“ [siehe nächsten Abschnitt], z.B. in „daliegen“, „dasitzen“, „dableiben“, „dabehalten“, “ dasein“ und andere. Aber „da“ behält auch dort seine örtliche Bedeutung; die ist eigentlich auch ohne Kenntnis der grammatischen Eigenheiten der „unfesten Zusammenfügung“ erkennbar. Die heute gebräuchlichen Verben mit „dar-„ hingegen sind unten erschöpfend dargestellt. Wenn man diese vier (oder samt den beiden fast sinngleichen „Exoten“ sechs) Wörter „kann“, bilden die anderen Zusammensetzungen, mit „da“, praktisch kein Problem.
  4. Nur für Nerds gedachte Erklärung zur Grammatik: Der Ausdruck „unfest zusammengefügte Verben“ entstammt nicht direkt der gängigen lateinbasierten Grammatik, weil es so etwas Verrücktes wohl nur in der deutschen Sprache gibt. Manchmal heißen sie auch „trennbare Verben“. Aber diesen Ausdruck finde ich unglücklich, weil er nahelegt, man könne die Trennung selbst entscheiden. In Wirklichkeit bestimmt die Grammatik genauer: die Funktion des Verbs im Satz ob ein solches Verb hier in zwei Teile getrennt wird: als (konjugiertes) Hauptverb im Hauptsatz nämlich, sonst nicht. Für noch neugierigere Nerds und für Lernende der deutschen Sprache gibt es eine recht gute Zusammenfassung des Themas „fest und unfest zusammengefügte Verben“ bzw. „trennbare und untrennbare Vorsilben/Präfixe“ im Lernort Mint. Richtig hardcore, aber mit vielen literarischen, manchmal rührend altbackenen Beispielen und Übungen geht es her in einem Artikel für Deutsch lehrende Russ*innen aus einer Uni in Westsibirien. Man versteht dann auch besser, warum Deutsch-Lernende zuweilen mit den Augen rollen, z.B. wenn das sinnentscheidende Verb oder die Verb-Vorsilbe (Präfix) erst Kilometer später, nämlich ganz am Ende eines langen Satzes, erscheint.
  5. Die Beispiele stammen aus einem anderen Cosmiq-Artikel, in dem es um Rechtschreibung und die Unterscheidung von „etwas zu trinken“ und „etwas zum Trinken“ geht. Auch da spielen jene „unfest zusammengefügten Verben“ eine Hauptrolle. „Fest zusammengefügt“ bleiben dagegen z.B. die Vorsilben be-, ge-, ent-, ver-, zer- wie z.B. in „beschließen“, „gerinnen“, „vergießen“, „zerstoßen“. Einige Vorsilben gibt es sogar fest und unfest (dann mit verschiedenen Bedeutungen und Betonungen, wie z.B. in 2x „umfahren“) ….Dies nur mal so als Anregung zum Weiterforschen.
  6. Im Mittelhochdeutschen antwortete die Form „dar“, althochdeutsch „dara“, in ihren Verbindungen mit Verben und mit Präpositionen (daran, darauf, darin usw.) auf die Frage „wohin?“