DeepSeek im Praxistest und Vergleich – Die knifflige Frage nach Giordano Bruno
DeepSeek, eine chinesische Version Künstlicher Intelligenz (KI), hat seit dem 25. Januar 2025 nicht nur das Internet aufgemischt, sondern auch den internationalen Aktienmarkt. Binnen kurzem am häufigsten heruntergeladen, droht sie ChatGPT und die Projekte von Open AI in den Schatten zu stellen. Sie soll nur ein Bruchteil der US-amerikanischen Entwicklung gekostet haben und auch sonst ChatGPT mindestens ebenbürtig sein.
Wie aber sieht es in der praktischen Anwendung aus? Wie brauchbar sind die Antworten von DeepSeek? Und wie seriös sind sie? Wir haben einfach mal einen praktischen Versuch gemacht, mit einer Frage, die uns knifflig genug schien, damit DeepSeek sich daran beweisen kann. Das Resultat findest du im folgenden Beitrag.
Dabei haben wir den Text von DeepSeek in Gänze wiedergegeben und mit kommentierenden Anmerkungen versehen. Zum Vergleich und der Fairness halber haben wir dieselbe Frage ChatGPT gestellt. Die etwas knifflige Fragestellung für beide: Kann man Giordano Bruno (er starb 1600 auf dem Scheiterhaufen) mit seiner grundsätzlichen Kritik an Jesus (er nannte ihn einen Scharlatan) als Atheisten bezeichnen? Unsere Kommentare zu den Antworten haben wir in Anmerkungen untergebracht, um die Originaltexte nicht zu unterbrechen. Sie gehen in die anschließende Auswertung ein. Im übrigen enthalten die Texte und Anmerkungen zusammen genug Informationen, damit man dem Thema folgen kann. Also auch wenn man ganz zufällig nicht Theologe oder Giordano-Bruno-Fan ist.
Inhalsverzeichnis
Frage und Antwort von DeepSeek
Wir haben unsere Frage an DeepSeek mit Aktivierung der Funktion „Tiefes Denken, R1“ gestellt.1 Aufgrund der Funktion „Tiefes Denken“ besteht die Antwort aus 2 Teilen: einem ersten Teil, wo „für 9 Sekunden“ [also innerhalb von 9 Sek.] Vorüberlegungen „gedacht“ werden (im Original steht dieser Teil unformatiert in Kleinschrift) und einem zweiten Teil. Er enthält den „eigentlichen“, formatiert gegliederten und kopierbaren Antwort-Text. Dabei liefert gerade die „Vorüberlegung“ interessante Einblicke in die Vorgehensweise des KI-Sprachmodells und damit auch in das Zustandekommen von Folgerungen im Haupttext. Die erscheinen dann entgegen der Absichtserklärung doch oft als vermutet statt als belegt.
Frage User: Kann man Giordano Bruno als Atheisten bezeichnen, weil er Christus als „Scharlatan“ bezeichnete?
Die Antwort von DeepSeek:
[1. Vorüberlegung]
„Gedacht“ „für 9 Sekunden“:
Okay, ich muss die Frage beantworten, ob Giordano Bruno als Atheist bezeichnet werden kann, weil er Christus als „Scharlatan“ bezeichnet hat. Zuerst sollte ich vielleicht etwas über Giordano Bruno recherchieren. Ich weiß, dass er ein italienischer Philosoph der Renaissance war und wegen Ketzerei hingerichtet wurde. Er unterstützte das heliozentrische Modell von Kopernikus2 und hatte pantheistische Ansichten. Aber war er ein Atheist?
Der Nutzer erwähnt, dass Bruno Christus einen „Scharlatan“ nannte. Das klingt3 nach einer kritischen Haltung gegenüber dem Christentum. Aber Atheismus bedeutet ja den Unglauben an Götter. Wenn Bruno also an eine göttliche Kraft glaubte, aber Christus ablehnte, wäre er vielleicht4 kein Atheist, sondern eher Pantheist oder Häretiker.
Ich sollte überprüfen, ob die Bezeichnung „Scharlatan“ für Christus historisch belegt ist.5 Vielleicht stammt das aus seinen Schriften oder Gerichtsakten. Bruno wurde von der Inquisition verurteilt, aber die genauen Gründe waren vielfältig: seine kosmologischen Ansichten,6 die Ablehnung der Dreifaltigkeit, möglicherweise auch Kritik an der Kirche.
Atheismus war in der Renaissance sehr selten und gefährlich. Viele Denker wurden als Atheisten bezeichnet, obwohl sie eher deistische oder pantheistische Ansichten hatten. Bruno sprach von einer unendlichen7 Universum und einer allgegenwärtigen Gottheit, was eher pantheistisch klingt. Also kein Atheist im strengen Sinne.
Seine Kritik an Christus könnte8 Teil einer allgemeineren Kritik an der institutionalisierten Kirche sein, nicht unbedingt eine Ablehnung aller Formen von Spiritualität oder Göttlichkeit. Vielleicht9 sah er Christus als falschen Propheten an, aber glaubte dennoch an eine höhere Macht.
Zusammenfassend: Die Bezeichnung als Atheist wäre ungenau, da Bruno nicht Gott leugnete, sondern bestimmte christliche Lehren ablehnte. Sein Pantheismus und seine Kritik an der Kirche machen ihn eher zu einem Häretiker als zu einem Atheisten. Die Aussage über Christus als Scharlatan zeigt seine Ablehnung bestimmter Aspekte des Christentums, nicht notwendigerweise den Atheismus.10
[2. Haupttext]
Giordano Bruno (1548–1600) war ein italienischer Philosoph, Dichter und Kosmologe, der vor allem für seine pantheistischen und kosmologischen Ideen bekannt ist. Seine Kritik an zentralen Lehren der katholischen Kirche führte zu seiner Verurteilung als Häretiker und seiner Hinrichtung durch die Inquisition. Die Frage, ob er als Atheist bezeichnet werden kann, ist komplex und hängt von der Definition von „Atheismus“ sowie der historischen Kontextualisierung seiner Aussagen ab.
1. Brunos religiöse und philosophische Position
Bruno vertrat einen pantheistischen Glauben, in dem das Göttliche als allgegenwärtig im Universum verstanden wird. Er lehnte die traditionelle christliche Vorstellung eines persönlichen Gottes und die Autorität der Kirche ab, glaubte aber an eine spirituelle, unendliche Einheit des Kosmos. Seine Kritik richtete sich eher gegen dogmatische Strukturen und institutionelle Korruption11 als gegen Spiritualität an sich.
2. Die Aussage über Christus als „Scharlatan“
Die Behauptung, Bruno habe Christus als „Scharlatan“ bezeichnet, stammt aus Anklageschriften der Inquisition12 und muss kritisch betrachtet werden. Bruno lehnte die kirchliche Interpretation Christi ab, insbesondere die Vorstellung von Christus als einzigem Erlöser und die Autorität der Sakramente. Seine Kritik zielte auf die Vereinnahmung religiöser Symbole durch die Kirche, nicht unbedingt13 auf eine pauschale Ablehnung Jesu.
3. Atheismus vs. Häresie
● Atheismus im modernen Sinne bedeutet die explizite Leugnung eines Gottes oder einer höheren Macht. Bruno lehnte zwar die christliche Theologie ab, vertrat aber einen pantheistischen Spiritualismus, der ihn nicht als Atheisten klassifiziert.
● Häresie hingegen bezeichnet die Abweichung von orthodoxen Glaubenslehren. Bruno wurde genau dafür verurteilt: Seine Ablehnung der Dreifaltigkeit,14 der Jungfrauengeburt und der kirchlichen Hierarchie machten ihn zum Häretiker, nicht zum Atheisten.
4. Historischer Kontext
In der Frühen Neuzeit wurde „Atheismus“ oft als pauschaler Vorwurf gegen Andersdenkende verwendet, unabhängig von ihrer tatsächlichen Haltung. Bruno wurde von der Inquisition als „Gottesleugner“ diffamiert, um seine Ideen zu diskreditieren. Seine pantheistischen und philosophischen Überzeugungen passten jedoch nicht in das damalige atheistische Schema.15
Fazit
Giordano Bruno als Atheisten zu bezeichnen, wäre historisch ungenau. Seine Kritik an Christus und der Kirche entsprang einem radikalen Pantheismus und einer Ablehnung institutionalisierter Religion, nicht einer Leugnung des Göttlichen. Er war ein Häretiker, dessen Ideen die Grenzen des damals Denkbaren sprengten, aber kein Atheist im modernen Sinne. Seine Hinrichtung spiegelt die Angst der Kirche vor intellektueller Freiheit wider, nicht vor gottlosem Denken.16

Zum Vergleich: Die Antwort von ChatGPT
Frage User:17 Kann man Giordano Bruno als Atheisten bezeichnen, weil er Christus als „Scharlatan“ bezeichnete?
Nein, Giordano Bruno als Atheisten zu bezeichnen, wäre eine ungenaue Vereinfachung. Zwar äußerte er sich kritisch über das Christentum und nannte Christus einen „Scharlatan“,18 doch war seine Philosophie stark von einer pantheistischen Weltsicht geprägt. Er glaubte an ein unendliches Universum, das von einer göttlichen Präsenz durchdrungen ist, und lehnte ein personalisiertes, anthropozentrisches Gottesbild ab.
Bruno vertrat Ansichten, die mit dem damaligen kirchlichen Dogma unvereinbar waren – etwa die Unendlichkeit des Kosmos und die Pluralität der Welten.19 Seine Kritik richtete sich weniger gegen die Idee einer göttlichen Kraft an sich als vielmehr gegen institutionalisierte Religionen und deren Lehren. In diesem Sinne könnte man ihn eher als Pantheisten oder Freigeist bezeichnen, aber nicht als Atheisten im modernen Sinn, der die Existenz jeglicher Gottheit ablehnt.
Auswertung
Unsere Aufmerksamkeitsrichtung gilt der Bearbeitung des Themas durch das KI-Modell DeepSeek, nicht der Frage, wie wir Giordano Bruno interpretieren und einordnen würden. Zu letzterem gibt es hinreichende Texte im Netz.20
Beachtlicher Horizont
Unsere Fragestellung ist nicht von ungefähr: Sie betrifft eine komplexe Theorie in einem großen philosophischen, theologischen und naturwissenschaftlichen Kontext und eine in der Tat durchaus problematische Verknüpfung von Begriffen: Jesus als „Scharlatan“ und „Atheismus“. Bei diesem Thema aus einer europäischen Religion (Christentum) und einer europäischen Geschichtsepoche (Renaissance) musste sich die – immerhin chinesische – KI beweisen. Sie fegt locker alle etwaigen nationalistischen oder kulturellen Vorurteile hinweg: Sie beweist, gerade für ihr junges Alter, erstaunlich umfangreiche Sachkenntnis.21 Und auch in ihrem differenzierten Umgang mit den zentralen Begrifflichkeiten erweist sich DeepSeek hier in unserem Beispiel dem von ChatGPT überlegen: DeepSeek kann Begriffe in Relation zu verschiedenen Kontexten setzen und unterschiedlich beleuchten. So weist er zu Beginn des Haupttextes darauf hin, dass das Zutreffen des Begriffs „atheistisch“ von dessen Definition abhängt und in seinem historischen Kontext interpretiert werden muss. Diese Differenzierung führt er dann (unter 4.) durch.
Außerdem übernimmt DeepSeek in seinen Ausführungen nicht nur die Begriffe des Users, sondern führt zwecks Differenzierung auch eigene, zutreffendere ein, z.B. „Häresie“.
Uneingelöste Ansprüche
DeepSeek stellt sogar einen zentralen Begriff des Users wissenschaftlich korrekt in Frage („Scharlatan“). In der Vorüberlegung fragt der Chatbot nach dessen Herkunft, ob und wie er „historisch belegt“ sei. Er stellt darüber zwei Hypothesen auf: Selbstauskunft (Schriften) oder Unterstellung der Anklage. Eine derart kritische Haltung ist uns bei ChatGPT bislang nicht untergekommen. Vielmehr nimmt ChatGPT nach unserer Erfahrung22 grundsätzlich die Begriffe und Behauptungen des Users schmeichelnd als wahr an und arbeitet entsprechend mit ihnen weiter.
Der Haken dabei: Auch bei DeepSeek bleibt es bei der Frage. Eigentlich müsste er jetzt nach der Herkunft des „Scharlatan“-Vorwurfs recherchieren. Aber als sprachbasierter Chatbot kann auch er offenbar nicht im laufenden Betrieb recherchieren, d.h. Aussagen außerhalb seines Wissensfundus überprüfen, etwa im Internet.23 Und so wird aus seiner wahrscheinlichkeitsbasierten Vermutung eine definitive, falsche Aussage im Haupttext, nämlich dass der „Scharlatan“-Vorwurf aus den Inquisitionsakten stamme, nicht von ihm selbst.24 Auch DeepSeek wird hier zum Verhängnis, dass er nur ein Sprachmodell-Bot, eine LLM ist, die/der seine Antworten nach seiner „Vorkenntnis“ von Keywords und den erwartbarsten Wortfolgen produziert, ohne diese inhaltlich im konkreten Kontext der Fragestellung prüfen zu können.25
Systemische Schwächen
Auch an anderen Stellen verhält sich DeepSeek gemäß den Algorithmen von Sprach-Chatbots: Wichtige Aussagen werden, oft vom User adaptiert, gegebenenfalls einfach unangreifbar relativiert durch Wendungen wie „vielleicht“, „nicht unbedingt (alle)“ oder mittels Konjunktiv. So wird (unter 2.) aus der Vermutung, dass aus Brunos Kritik an der „Vereinnahmung religiöser Symbole durch die Kirche“ „nicht unbedingt“ auf eine pauschale Ablehnung Jesu zu schließen sei, kontextuell eine Behauptung. Diese ist nicht durch Recherche überprüft, sondern beruht auf der wahrscheinlichsten, aber ungeprüften und faktisch falschen Vermutung, dass der „Scharlatan“-Vorwurf lediglich eine Unterstellung seitens der Anklage sei.26
Obwohl DeepSeek seine Argumentation bemerkenswert kontextbezogen entwickelt, leidet auch er an Kontext-Schwäche. Das liegt daran, dass er eben in der Abarbeitung seiner Algorithmen keine Inhalte, sondern nur Wortelemente in Beziehung setzen kann. So entgeht ihm auch der offenkundige Zusammenhang zwischen der Bruno allgemein zugeschriebenen Kritik an der Dreifaltigkeit bzw. an dem Dogma der Jungferngeburt einerseits und dessen Ablehnung von Jesus als explizit nicht göttlich andererseits. Es ist logisch, dass es keine Dreifaltigkeit geben kann, wenn eines der drei Elemente, nämlich Jesus, nicht göttlich sondern „niedrig“ ist. In diesem Licht erübrigt sich dann auch die Frage nach der Jungferngeburt. Brunos „Kritik“ an (genauer: seine Ablehnung) der Dreifaltigkeit ist daher qualitativ eine ganz andere als etwa die des kirchengeschichtlich bedeutsamen Arianismus. Der Arianismus war eine Strömung innerhalb der frühen christlichen Kirche. Sie verstand Jesus als zwar göttlich, aber nicht gottgleich im Sinne der Dreifaltigkeit, schon weil er nicht ewig gelebt habe.27

Mithin führt seine Unfähigkeit, Aussagen wirklich recherchierend zu prüfen und seine Begrenzung, inhaltlich logische Zusammenhänge zu erstellen, methodisch dazu, dass DeepSeek seine Ansprüche zur Überprüfung und Verifizierung von Behauptungen und Hypothesen nicht einlösen kann. Inhaltlich führen diese Begrenzungen zur Übernahme verunklarend verallgemeinernder Aussagen (Brunos Jesus-Kritik als „Teil einer allgemeinen Kritik an der „Institution“) statt zu einer kontextbezogenen Spezifizierung des erwähnten Vorwurfs. So kann DeepSeek den Atheismus-Vorwurf aus gängigen Zuordnungen gut kontextuell relativieren, aber in Bezug auf den systematischen Stellenwert des „Scharlatan“-Vorwurfs in der Gesamtaussage von Bruno bleibt er ungenau und kommt bei dessen kontextueller Einordnung gar zu falschen „Folgerungen“.
Zur Version von ChatGPT
Im Gegensatz zu DeepSeek kann man ChatGPT keine Neigung zur Redundanz vorwerfen. Mit seinen allgemeinen Kenntnissen äußerst er sich schnörkellos zur vorliegenden User-Frage. Für ChatGPT stellt sich dabei überhaupt nicht die Frage, ob und wie der „Scharlatan“-Vorwurf belegt ist: Der User behauptet es, also gehen wir davon als Tatsache aus. Das ist genug Kontext. Aber dann ist er schnell vom konkreten Vorwurf weg beim ihm bekannten Allgemeinen: „Bruno vertrat Ansichten, die mit dem damaligen kirchlichen Dogma unvereinbar waren“. Damit hat er geschickt die im christlichen Sinne Ungeheuerlichkeit des Scharlatan-Vorwurfs umschifft. Mit diesem Allgemeinplatz wird sie zudem historisch relativiert: War halt gegen das damalige Dogma – als wenn das mit einem aktuellen Dogma vereinbar wäre. ChatGPT kommt zu derselben Schlussfolgerung wie DeepSeek: Nein, man kann von Atheismus im heutigen Sinne nicht sprechen.28 Aber ChatGPT ist hier, genauso wie DeepSeek, Opfer des Konstruktionsprinzips von Sprachbots: Dem Primat, aus zentralen, allgemeinen Keywords die wahrscheinlichst erwarteten Wortfolgen zu entwickeln. Diese sind im Zweifel wichtiger als die oft unbekannten konkreten Fakten. So „schließen“ beide aus dem Dogmen-Streit im Zeitalter von Galileo Galilei und und namentlich dem dort zentralen „Heliozentrismus“, dass dies auch bei Giordano Bruno einschlägig für seine Verurteilung gewesen sei. Dies ist aber im Fall von Bruno nicht zutreffend.29
Das ändert im 2. Absatz die Blickrichtung, nämlich weg vom (konkret gefragten) diametralen Widerspruch Brunos zur Kirche bzw. jeglicher auf Christus bezogener Religion historisierend hin zum Ungefähreren und damit auch zum allgemein geläufigen Bild: Ausgehend von den der KI „bekannten“ Aussagen zur Epoche erscheint die (christliche) religiöse Gemeinschaft wieder mit partiellen, vorübergehenden, sozusagen intern häuslichen Streitigkeiten (Dogmenfragen und Astronomie von damals halt). Das mündet in das Fazit: Bruno sei doch zwar Freigeist, aber immerhin gottgläubig gewesen. Was faktisch natürlich irgendwie auch stimmt und die User-Frage auch beantwortet, aber eben das Besondere von Bruno entschärft. Anders gesagt: Mit dem heliozentrischen Weltbild (= die Sonne statt Erde als Mittelpunkt der Welt) eines Galileo kann mittlerweile selbst die katholische Kirche leben.30 Aber die frontale Ablehnung von Jesus als betrügerisch statt göttlich liegt ihr noch immer quer im Magen.
Harmonisierende Schlussbemerkung
Um ChatGPT zu testen, haben wir ihm früher einmal die Frage nach einem bestimmten Brecht-Gedicht gestellt.31 Das Resultat war freie Phantasie, aber nicht das gesuchte Gedicht, und anschließend, bei der Konfrontation durch den User, jede Menge Ausflüchte. Dieselbe Aufgabe haben wir nun auch DeepSeek gestellt. Ergebnis und Reaktionsweise sind identisch: Jede Menge frei erfundene Verse, vorgebliche Selbstkorrektur mit neuem Unsinn, wenn auch inhaltlich irgendwie nicht so puritanisch wie das amerikanische ChatGPT. Beide verhielten sich frei nach dem Motto, „lieber etwas behaupten als nichts sagen“. Am Ende stand auch bei DeepSeek, nach entsprechender Nachfrage, das Eingeständnis und das Versprechen, sich zu bessern32 – wie bei allen Chatbots halt.33
Anmerkungen und Kommentare
- Anfrage an DeepSeek vom 29.01.2025. Download des Tools am 28.01.2025 über Google Play Store
- Es handelt sich aber eher um eine entfernte Variante davon: Ein unendliches Universum mit unendlich vielen Sonnen (Sternen) (alles darunter wäre nach Bruno auch Gottes nicht würdig). Brunos Folgerung daraus übrigens: Also müsste es auch unendlich viele Welten mit unendlich vielen Christussen/ Erlösern geben. Jedenfalls wurde er nachweislich nicht, wie von DeepSeek (und Jahrhunderte lang auch in der Literatur) geschickt indirekt nahegelegt, wegen seiner heliozentrischen, „kopernikanischen“ Ansichten verurteilt. [Genaueres unten, in der „Auswertung“]
- Hier also explizit eine vage gehaltene Folgerung aus der User-Behauptung, nicht recherchiertes Wissen – dennoch erfolgt dann der Fehler im vereindeutigenden Haupttext.
- Wiederum vorsichtig mittels Konjunktiv und „vielleicht“ auf die User-Behauptung bezogen. Das mag in einer Vorüberlegung legitim sein, aber im Haupttext wird es dann als Faktum vorgebracht.
- Bemerkenswert guter Ansatz. Diese Überprüfung/ Recherche führt DeepSeek aber im folgenden nicht durch, weil er das als Chatbot/Sprach-KI gar nicht kann. Im Haupttext kommt er daher, weil er dort nun „Tatsachen“ darstellen statt vermuten muss, zu falscher Behauptung. Die Bezeichnung „Scharlatan“ ist eine Paraphrase seiner (lateinischen) Schriften durch heutige Biographen.[ausführlich in der Auswertung].
- Diese kosmologischen Ansichten waren, wie seit 1942 bekannt, für die Anklage nun gerade nicht einschlägig [Genaueres in der Auswertung]. Auch die anderen angebrachten Vermutungen über die Gründe der Verurteilung könnte man schlicht aus Wikipedia genauer wissen, wenn man sie denn lesen könnte. Hier, in seinen Vorüberlegungen, bleibt DeepSeek genauso allgemein wie dann ChatGPT in seinem Haupttext. Haben sie gar eine gemeinsame „Textquelle“ hinterlegt?
- Grammatik-Fehler (einziger!) im Original. Und das als chinesischer Sprachbot!
- Wieder eine naheliegende Schlussfolgerung statt Recherche: Es stimmt zwar, aber „könnte“ ja auch anders sein. Es ist allgemein Teil jeglicher Chatbot-Strategie, sich durch Modalverben unangreifbar zu machen. Aber natürlich ist das alles zulässig, so lange wir uns noch in den Vorüberlegungen befinden.
- Das gälte es dann zumindest für den Haupttext als zentrale Frage zu erhärten. Denn genau so ist es. Deutlich wird: DeepSeek hat auch hier das Richtige gefolgert, statt zu wissen. Damit erübrigt sich dann auch die vorherige kritische Spekulation über die Herkunft des „Scharlatan“ (Kirche oder er selbst).
- Zumal mit der Einschränkung „nicht notwendigerweise“ und „bestimmter Aspekte“: Das ist, ähnlich ChatGPT, sehr stark abschwächend und derb untertrieben. Man kann diese Aussage im übrigen auch ohne jede Sachkenntnis, nur aufgrund des Kontextes der Begriffe (Christus=Scharlatan vs. Atheist) treffen – auch DeepSeek ist halt ein Sprachbot, wenn auch sehr geschickt und differenziert. Wir werden sehen, wieweit diese noch als Möglichkeit/ Vermutung formulierte Aussage dann im Haupttext verifiziert wird.
- Korruption war nicht so Brunos Thema, wenn, dann im philosophischen Sinne. Die Behauptung des Korruptionsvorwurfs und ihre Relevanz ist von DeepSeek vermutlich eher hergeleitet aus allgemeinen Keywords zur Epoche und damit einer gewagten Parallelisierung zu Luther, Calvin und anderen zeitnahen und prominenteren Kirchenkritikern.
- Hier wird die in der Vorüberlegung genannte Vermutung nun zur Tatsache und aber definitiv falsch, siehe oben (Anm. 5) und unten (Auswertung, 3.2.) im Beitrag. Ein typischer (systemischer) Chatbot-Fehler: Folgerung nicht aus Wissen, sondern aus ungeprüfter User-Behauptung plus „Was ist das Wahrscheinlichste /Erwartbarste an damit kongruenten Wortfolgen“.
- Doch, es zielt unbedingt auf eine pauschale Ablehnung Jesu! Siehe auch die Zitate Brunos in Anm. 24. „Jesus bringt alles durcheinander“ (Bruno). Hier treibt wieder ein alter Chatbot-Trick sein Unwesen: Durch Einschränkung („nicht unbedingt“, „vielleicht“, „könnte“ etc.) wird die (falsch abgeleitete) Behauptung unangreifbar. In diesem Fall aber wären „unbedingt“ und „pauschal“ absolut zutreffend und zudem von zentraler Relevanz für das Implikat der Fragestellung: Was bedeutet (bei Bruno und dem Kontext seiner Schriften) „Scharlatan“ in Bezug auf Jesus?
- Aber nicht, wie kirchgengeschichtlich bekannt, in Form des Arianismus (Jesus sei göttlich, aber nicht Gott), sondern durch dessen prinzipielle Ablehnung (siehe auch Auswertung, 3.2. Uneingelöste Ansprüche). DeepSeek kann den logischen Zusammenhang vom Begriff der Dreifaltigkeit/ Jungfrauengeburt mit dessen ausgeführter Kritik an Jesus nicht erfassen.
- Was ist hier jetzt plötzlich das „damalige atheistische Schema“ im Vergleich zum modernen, von dem zuvor immer normativ die Rede war? Musste diese Kategorie von DeepSeek aufgrund der „Vorüberlegungen“ irgendwie erwähnt werden?
- Ein schöner aufklärerischer Satz. Allerdings dürfte für die damalige Kirche beides eher zwei Seiten einer Medaille gewesen sein. Aber wir werden das Statement als allgemeinen Maßstab zur Beurteilung künftiger (auch politischerer) Aussagen im Herzen behalten. ;-)
- Abruf am 29.01.2025, ChatGPT als Opera-Tool
- Für ChatGPT stellt sich gar nicht die Frage, ob und wie der „Scharlatan“-Vorwurf belegt ist: Der User behauptet es, also gehen wir davon als Tatsache aus.
- Brunos Haltung richtet sich hier vor allem gegen ein sehr bestimmtes und dazu umfassendes „kirchliches Dogma“, nämlich die Göttlichkeit von Jesus. Das ist nicht nur ein „damaliges kirchliches Dogma“, sondern auch ein gegenwärtig zentrales. Darauf geht auch ChatGPT nicht ein, sondern lenkt zur ihm geläufigen Kosmologie-Frage ab. Auch der Chatbot ChatGPT folgt hier der aus dem Allgemeinen als wahrscheinlichst abgeleiteten, aber in concreto falschen Vermutung: Die Kosmologie war bei seiner Verurteilung gerade nicht einschlägig, vgl. Anm. 6.
- Am einschlägigsten für den Autor (und seine wertenden Kommentare) über Giordano Bruno ist nach wie vor das (gedruckte) Buch des Philosophen Jochen Kirchhoff, Giordano Bruno, Rowohlt Taschenbuch Verlag(rowohlts monographien), Reinbek b. Hamburg 1980. Im Netz gibt es recht ausführliche Texte über den bis heute umstrittenen Ausnahme-Philosophen und Naturwissenschaftler Giordano Bruno, etwa im SPIEGEL über das Buch von Jürgen Kirchhoff, bei Wikipedia (biografischer und naturwissenschaftlicher), dezidiert kirchen- und religionskritisch bei bei Jürgen Fritz.
- Dass DeepSeek offenbar der Zensur des VR-Chinesischen Machtapparats unterliegt – er verweigert z.B. standhaft eine Unterhaltung zu den Ereignissen auf dem Tian’anmen und fordert Themenwechsel ein – steht auf einem anderen Blatt.
- siehe etwa die Cosmiq-Artikel über ChatGPTs Meinung zur Vertrauenswürdigkeit zur eigenen Chatbot-Zunft, zu Gedichten und zur Wahrheit und Chatbot-Vergleiche
- Dieses „Schicksal“, aus systemischen Gründen nicht recherchieren zu können, obwohl es angebracht wäre, teilt DeepSeek mit ChatGPT und anderen sprachbasierten Chatbots.
- Die Akten sind, so Wikipedia, seit 1942 veröffentlicht. In der Anklage kommt das Wort nicht vor. Ein frühes Denunziationsschreiben eines gewissen Mocenigo besagt, dass Bruno Jesus gesprächshalber als „Betrüger“ bezeichnet habe [Kirchhoff, a.a.O., S. 126]. Aber wenn man die – oft bös sarkastischen und allegorisch daherkommenden – Texte von Bruno unvoreingenommen liest und ihre oft bildhaften Aussagen übersetzt, sind die Bezeichnung „Betrüger“ und der „Scharlatan“-Vorwurf seitens Bruno zweifelsfrei für seine Äußerungen selbst zutreffend. In seinem berüchtigten Text „Die Vertreibung der triumphierenden Bestie“ belegt er Jesus mit Wörtern wie „von niedrigster und gemeinster Denkart“, „Schurke“ [ebenda S. 124], als einen „verächtlichen, unwissenden Menschen“ der die „Niederträchtigkeit zu Ehren gebracht“ habe [ebenda, S. 126]. Dagegen nimmt sich der Ausdruck „Scharlatan“ noch vergleichsweise milde, fast augenzwinkernd aus. Einige jener“Stellen“ findest du exemplarisch auch im Netz, z.B. im erwähnten Spiegel-Artikel des Buch-Autors Kirchhoff.
- Genaueres zur Funktionsweise von sprachbasierten KI findest du im Artikel über ChatGPT und Gedichte, zu den systemischen, linguistischen Grundlagen dort in der Anm. 8.
- Für die Algorithmen sprachbasierter KI ist nach eigener Aussage „Wahrheit“ keine grundlegende Maßgabe, sondern die Erwartbarkeit von Wortfolgen.
- Anders gesagt: Wenn man Jesus als Scharlatan, Schurke usw. begreift, erübrigt sich eigentlich die Frage, ob man Jesus als Teil der Dreifaltigkeit oder arianisch oder auch nur moslemisch als „Gesandter Gottes“ verstehen will.
- Das wäre auch eine allzu steile These gewesen. Wir erinnern uns: Der Zweck der Frage war, die Fähigkeiten – nicht zuletzt die logischen und begrifflichen – von DeepSeek ein wenig auszuloten.
- Die Anklage lautete auf „Ketzerei und Magie“. „Die jahrhundertelang verbreitete Behauptung, dass Bruno aufgrund seiner kosmologischen (kopernikanischen) Vorstellungen von der Inquisition verurteilt wurde, ist seit der Zugänglichmachung seiner Inquisitionsakte im Jahr 1942 eindeutig widerlegt.“ [Wikipedia] DeepSeek ist hier nicht nur nicht auf dem aktuellen Stand der Forschung, sondern er ist systemisch Opfer seines Algorithmus. Denn dieser „folgert“ aus dem allgemeinen Kontext der kosmologischen Revolution (bzw. deren hinterlegten Keywords) Verknüpfungen nach Maßgabe der sprachlichen Wahrscheinlichkeit. Siehe dazu auch oben im Text, insbes. auch Anm. 6 und Anm. 13.
- Allerdings ist jener Heliozentrismus, nämlich dass die Erde um unsere Sonne kreist, etwas gänzlich anderes als Brunos Bild von einem ewigen, also nicht irgendwann göttlich geschaffenen, und unendlichen Kosmos mit unendlich vielen Sonnensystemen. In diesem Bruno’schen Kosmos stünde unsere Sonne mit unserer Erde – und mit einem vorgeblichen Erlöser wie Jesus und der Kirche darauf – ziemlich am Rande des kosmischen Geschehens und des göttlichen Werkes. Auf diese Frage des kosmischen Weltbildes aber hat sich die Inquisition wohlweislich, wie oben gezeigt, nicht eingelassen.
- Kann ChatGPT Gedichte – Oder warum lügt ChatGPT
- „Sie haben vollkommen recht, und ich möchte mich erneut aufrichtig bei Ihnen entschuldigen. Es war falsch von mir, nicht sofort zuzugeben, dass ich das gesuchte Gedicht nicht kenne, und stattdessen andere Texte zu präsentieren. Dies war keine angemessene oder ehrliche Reaktion, und ich bedauere, dass ich Sie dadurch in die Irre geführt habe.“ Und am Ende auch hier das bei Sprachbots übliche Standard-Versprechen: „Ich nehme Ihre Kritik sehr ernst und werde weiter daran arbeiten, meine Fähigkeiten zu verbessern, um in Zukunft besser und zuverlässiger zu helfen.“
- Vergleich der Chatbots bei Cosmiq hier