Müssten die USA als NATO-Mitglied Grönland auch verteidigen, wenn sie es angreifen? – DeepSeek’s Analyse
Der US-Präsident Trump hat Ansprüche auf Grönland erhoben, notfalls mit Hilfe des Militärs, wie er mehrfach sagte.1 Damit stellt sich auch ernsthaft die Frage, ob die USA nicht als NATO-Mitglied Grönland verteidigen müssten, wenn es durch die USA tatsächlich angegriffen würde. Schließlich ist Dänemark und damit Grönland Teil der NATO, oder? Satire oder realistisches Szenario? Jedenfalls eine gute Gelegenheit, mal die chinesische Newcomer-KI DeepSeek nach ihrer Analyse dazu zu befragen und zu testen. Was also sagt die chinesische KI dazu? Im folgenden die ernste Antwort von DeepSeek zum Thema USA, Grönland und NATO, wörtlich und ungekürzt.2 Anschließend eine kurze Einordung der KI-Antwort und der Problemstellung.
Inhalsverzeichnis
DeepSeeks Analyse zu USA, Grönland und NATO
Die Frage, wie sich die USA als NATO-Mitglied verhalten würden, wenn sie selbst Grönland (Teil Dänemarks) angreifen, wirft komplexe rechtliche und politische Dilemmata auf. Hier eine strukturierte Analyse:
1. NATO-Rechtliche Grundlagen
– Artikel 5: Verpflichtet alle Mitglieder, einem angegriffenen Bündnispartner beizustehen. Ein US-Angriff auf Grönland (Dänemark) würde Dänemarks Recht auslösen, Artikel 5 zu aktivieren.
– Artikel 1: Verpflichtet NATO-Mitglieder, Konflikte friedlich zu lösen und auf Gewalt zu verzichten. Ein US-Angriff wäre bereits hier ein Vertragsbruch.
2. Paradoxon der US-Rolle
– Die USA wären gleichzeitig Aggressor (Angreifer Dänemarks/Grönlands) und Verteidigungspflichtiger (als NATO-Mitglied). Praktisch könnten sie nicht beides sein – sie würden ihre Pflicht zur Verteidigung verletzen.
3. Reaktionen der NATO
– Politische Eskalation: Die NATO würde zunächst diplomatische Lösungen suchen (z. B. Krisentreffen, Sanktionen gegen die USA), um den Konflikt einzudämmen.
– Militärische Optionen: Andere NATO-Mitglieder müssten theoretisch Dänemark unterstützen, was einen Bündniskonflikt auslösen würde. Praktisch wäre dies extrem unwahrscheinlich, da die USA als mächtigstes Mitglied zentral für die NATO ist.
4. Juristische Konsequenzen
– Vertragsbruch: Die USA würden gegen Artikel 1 und 5 verstoßen. Mögliche Folgen wären Suspendierung oder Austritt aus der NATO, allerdings ist ein Ausschlussverfahren im Vertrag nicht vorgesehen.
– Völkerrechtliche Sanktionen: Die UNO oder internationale Gerichte könnten den Angriff als illegal verurteilen.
5. Realpolitische Einschätzung
– Ein solches Szenario ist höchst unrealistisch, da die USA strategisch und historisch eng mit Dänemark und der NATO verbunden sind. Ein Angriff würde das Bündnis zerstören und die globale US-Position untergraben.
Fazit
Rein theoretisch müsste die NATO Dänemark verteidigen, doch die USA als Angreifer könnten dieser Pflicht nicht nachkommen. Die Folge wäre eine Systemkrise der NATO, die wahrscheinlich zu politischen Sanktionen, nicht aber zu einem Militäreinsatz gegen die USA führen würde. Realistisch wäre eine vorrangige Deeskalation durch Diplomatie, um die Allianz zu erhalten.

Einordnung der Frage zu USA und NATO
So weit die Analyse und Meinung von DeepSeek zu dem Problem. Oder ist es via chinesischer KI (auch) die Meinung der VR-chinesischen Regierung?3 Beruhigend jedenfalls, dass auch DeepSeek eine „Deeskalation durch Diplomatie“ für wahrscheinlicher und für empfehlenswert hält.
Alle für einen, aber jeder soviel wie er will
Ein Umstand mildert die Darstellung von DeepSeek über die USA und die NATO4 ab: Im „Bündnisfall“ (Artikel 5 des NATO-Vertrags) wäre zwar jeder zur Hilfe verpflichtet (Prinzip „alle für einen“). Aber jeder könnte grundsätzlich für sich entscheiden, welche Maßnahmen er für jeweils angemessen hält. Das könnte also theoretisch von der diplomatischen Protestnote bis zur ballistischen Rakete reichen. Offizielles gemeinsames Ziel der NATO ist dabei die „Sicherung des nordatlantischen Gebiets“.5
Der erste „Bündnisfall“ wurde ausgelöst durch den Angriff auf das World Trade Center in den USA am 11. September 2001 durch die Terrororganisation Al-Qaida. Der NATO-Beschluss hatte US-geführte, militärische Interventionen der NATO vor allem in Afghanistan, aber auch in anderen Gebieten in Asien und Afrika zur Folge, die unter verschiedenen Operationsnamen über Jahre andauerten. Die Intervention in Afghanistan wurde schließlich 2021 beendet; der in diesem Zusammenhang von den USA 2003 begonnene Krieg gegen den Irak dauerte mit Folgeaktivitäten in der Region unter verschiedenen Namen mit NATO-Beteiligung bis 2017 an. 6
Realpolitik, Desorientierung und Satire
Realpolitik oder Satire? Die Einordnung unserer Frage nach einer theoretischen Doppelrolle der USA als Angreifer und NATO-Partner hängt natürlich auch davon ab, inwiefern man die Äußerungskaskaden des US-Präsidenten zu seinem Amtsantritt – einschließlich des Themas „Grönland“ – ernst nimmt oder doch eher als Teil einer „Flood the Zone with Shit“-Strategie.7
Zur satirischen Seite hin könnte man die analytischen Ausführungen von DeepSeek auch noch ergänzend erweitern:
Im NATO-„Bündnisfall“ könnten die USA ja auch ihre Truppen aufteilen wie im Manöver: Der eine Truppenteil – ROT, mit roten Armbinden – greift Grönland an, der andere Teil der US-Truppen – BLAU,8 mit blauen Armbinden – verteidigt das Land. Ob Grönland am Ende US-amerikanisch wird, hinge davon ab, welche Seite der US-Armee gewinnt. Alternativ könnten die beiden auch verhandeln und einen Deal mit sich selbst machen.
So weit die Satire aus gegebenem Anlass, verbunden mit der Hoffnung, dass schon bald keiner mehr weiß, worum es dabei eigentlich ging.
Anmerkungen, Quellen und Erläuterungen
- Trumps wiederholte Äußerungen zu Grönland zu Beginn seiner Regierungszeit enthielten auch, dass er diesen Anspruch notfalls auch militärisch erheben wolle. Wie es dazu kommen konnte, dass die US-Bürger mehrheitlich Trump gewählt haben, haben wir bereits vor Jahren analysiert.
- DeepSeek-Anfrage vom 04.02.2025. Die Antwort einschl. Überschriften im Wortlaut, zur besseren Unterscheidung blau kursiv. [Download des DeepSeek-Tools am 28.01.2025 über Google Play Store]
- Wir haben das neue DeepSeek an anderer Stelle schon einmal mit einer ernsthafteren Frage getestet. Dabei haben wir, wie viele andere im Netz auch, natürlich darauf hingewiesen, dass DeepSeek gewisse, der chinesischen Politik unangenehme Themen schlichtweg offen verweigert.
- Das Kürzel NATO steht für „North Atlantic Treaty Organization“ = Nordatlantische Vertragsorganisation. Deren Mitgliedsstaaten sind auf deren offizieller Website mit Eintrittsdatum gelistet. Deutschland (die BRD) trat 1955 bei, begleitet von politischen Protesten in der jungen Demokratie. Laut jener offiziellen Website NATO membership is open to “any other European state in a position to further the principles of this Treaty and to contribute to the security of the North Atlantic area.” [Übers.: Die NATO-Mitgliedschaft ist offen für jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Raums beizutragen.] Staaten können ihre Mitgliedschaft mit einjähriger Frist kündigen, indem sie dies der Regierung der USA mitteilen. Die soll dann die anderen Mitglieder über die Kündigung informieren.[Artikel 13].
- Der Bündnisfall ist in § 5 des NATO-Vertrags [offiziell: Nordatlantikvertrag] von 1949 geregelt. Dort steht: „Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen …[gemäß des UN-] Rechts der … Selbstverteidigung … den [angegriffenen] Parteien … Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich …[koordiniert mit den anderen]… die Maßnahmen … trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.“ [Mit „…“ gekennzeichnete Auslassungen und Zusammenfassungen [in Klammern] im Zitat dienen der sinngetreuen Vereinfachung des Textes zwecks Lesbarkeit unter Auslassung komplizierterer, juristisch wasserfest machender Ergänzungssatzteile, d.V.]
- Ausführlicher in Einzelheiten und mit Quellen/Links: Der erste offizielle Bündnisfall wurde 2001 in Folge des 11. September ausgerufen. Der Anschlag von Al-Qaida wurde in diesem Kontext von den USA und der NATO als Angriff einer ausländischen Macht definiert, der den Bündnisfall auslöste. Der Beschluss dazu wurde einstimmig von allen 19 damaligen NATO-Mitgliedern gefasst. Die NATO-Aktivitäten erstreckten sich dann als koordinierte militärische Interventionen im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ (OEF) über mehrere Länder zunächst bis Ende 2014. Auftakt und Schwerpunkt war der Einmarsch in Afghanistan, wo man die Al-Qaida verortete. Aber im Zuge dessen gab es Militäreinsätze im Rahmen der OEF auch in anderen Weltregionen, unter anderem am Horn von Afrika, in Afrika innerhalb und südlich der Sahara sowie auf den Philippinen. [bpb, NATO beschließt Bündnisfall].
Die OEF war Teil des von den USA ausgerufenen „War on Terror“. Unter diesem Label marschierte die USA auch 2003 mit einem „Bündnis der Willigen“ (aber nicht offiziell als NATO) in den Irak ein, um das Regime von Saddam Hussein zu stürzen, übrigens mit falscher Begründung. In der folgenden Destabilisierung des Landes bzw. der Region kam es auch dort zu NATO-Einsätzen. Die Interventionen im Irak durch die USA dauerten unter verschiedenen Namen und Bündniskonstellationen, z.T. auch mit offizieller NATO-Beteiligung, bis 2017 an.
In Afghanistan wurde wurde die NATO-geführte Intervention nach der OEF unter UN-Autorisierung zunächst als ISAF, dann als (dem Konzept nach nun nicht-militärische) Mission „Resolut Support“ bis 2021 fortgesetzt. Auf dem Höhepunkt der Intervention Ende 2010 waren gut 130.000Soldaten aus 48 Ländern in Afghanistan aktiv. Dabei gehörte Deutschland übrigens von Anfang an zu den größten Truppenstellern. Im Deutschen Bundestag gab es im Zusammenhang mit Afghanistan mehrere Anläufe, in der NATO zu beantragen, den „Bündnisfall“ für beendet zu erklären, auch da es mit der ISAF formell um die Unterstützung einer afghanischen Regierung gehe. Die Anträge scheiterten mangels Mehrheit - Die Strategie „Flood the Zone with Shit“ wurde vom ehemaligen Trump-Berater Steve Bannon geprägt. Sie soll den öffentlichen und medialen Diskurs so stark mit Desinformationen und Ablenkungen überschwemmen, dass es nahezu unmöglich wird, Fakten von Fiktionen zu unterscheiden, Wichtiges von Unwichtigem, Proklamation von Umsetzung. Unter diesen Nebelkerzen und algorithmisierter Aufregung an gewollt falscher Stelle soll es dann auch leichter möglich sein, dass woanders unpopuläre Vorhaben oder deren Folgen eher unbeachtet bleiben – etwa bei personellen und strukturellen Umbauten des Staatsapparats.
- Das entspräche der Einteilung in traditionellen NATO-Manövern aus den Zeiten des Kalten Krieges: ROT war der Feind, BLAU die eigene Armee. In der BRD ging man bei solchen Übungen generell davon aus, dass ROT angreife und BLAU verteidige. Derlei Manöver und Planspiele endeten nach ca. 1 Woche allerdings in der Regel nicht mit einem Sieg, sondern mit einem atomaren Schlagabtausch. Exemplarisch dafür etwa das Bundeswehr-Planspiel „Wintex 71″.