Sehenswürdigkeiten auf dem Domplatz von Pisa: Welche Tipps gibt es zur Besichtigung?

In Pisa gibt es neben dem schiefen Turm auf dem Domplatz viele Sehenswürdigkeiten; hier findest du Tipps für eine spannende Besichtigung rund um die „Piazza del Duomo“ . Genauer: meine Favoriten für eine Entdeckungstour in umgekehrter Reihenfolge.

Tipp 4: Der Domplatz Piazza del Duomo (Piazza dei Miracoli) und seine Besucher

Der Domplatz vor dem schiefen Turm von Pisa heißt auf Italienisch offiziell Piazza del Duomo, im Volksmund auch Piazza dei Miracoli, Platz der Wunder. In deutschen Karten wird er oft auch einfach „grüner Platz“ genannt.

Kunst und Social Media

Als erste und auffallendste Sehenswürdigkeit von Pisa findet man auf dem Platz eine Kuriosität und zugleich ein bezeichnendes Zeitzeugnis. Man kann hier nämlich Reihen von Touristen besichtigen, die, gleichförmig wie beim Tai Chi in einem volkschinesischen Park, den rechten Arm mit aufwärts abgewinkelter Hand ausstrecken. Es soll dann nämlich im Selfie oder Fremdfoto aussehen, als stützten sie jenen Turm.

So ist auch der Domplatz von Pisa und sein schiefer Turm ein Bestandteil der Ikonisierung des 21. Jahrhunderts schlechthin geworden, nämlich der Selbstbespiegelung mittels Social Media und Messenger-Diensten. In den immergleichen Inszenierungen solcher Bilder sind vorgebliche Kreativität und Entdeckung schon lange auf der Strecke geblieben. Sie sind längst der Reproduktion des Klischees gewichen, das stets schon vorher vorhanden war und ist. Für dessen zwanghaft wiederholte Vervollkommnung werden auch hier das originelle, vielfältige Pisa und sein schiefer Turm lediglich zur Kulisse. Die Menschen in den Bildern werden zu austauschbaren Figuren. Ins Netz gestellt, begegnen dir all diese Fotos als endlose Flut ununterscheidbarer Kopien, in der jede Individualität verloren gegangen ist. Für kommende Historiker und Soziologen vermutlich ein dankbares Forschungsfeld.

Domplatz als Ensemble

Bei diesem Treiben auf dem Domplatz von Pisa geht fast unter, dass es hier jede Menge Kultur zu sehen gibt. Ein Tipp: Man muss sich gar nicht in die endlose  Polonaise zur Besichtigung des schiefen Turms einreihen. Denn dort muss man lange warten, weil alle hinein wollen, aber die Besucherzahl beschränkt ist. Außerdem ist der Aufstieg im Turm eng und die Aussicht oben in  all dem Gedrängel nicht so besonders. Viel Interessanteres gibt es aber daneben zu sehen. Eigentlich ist der ganze Domplatz von Pisa mit den daran  verteilten Gebäuden ein harmonisches Gesamtkunstwerk, wenn man sich die peinlichen Poser mal wegdenkt. Schließlich können die damaligen, sehr originellen Künstler nichts für die heutigen, vergeblichen Ego-Clownerien.

Tipp 3: Das Baptisterium

Da ist zum einen das Baptisterium. Aufgrund seiner runden Kuppel ist seine Akustik berühmt. Man kann nur hoffen, dass sie gerade von guten Sängern ausprobiert wird, wenn man da ist. Dort sind auch einige große, gotische Skulpturen zu besichtigen.

Der Job der Ratten

Aber sieh einmal genau hin: Am Fuß der Säule links nagen tatsächlich Ratten (steinerne natürlich)! Ratten, verewigt in einer Kirche? Die sollten nach damaliger Auffassung in vielen kirchlichen Gebäuden böse Geister vertreiben helfen. Obwohl es die ja nach der christlichen Lehre gar nicht gab. Aber konnte man sich da ganz sicher sein? Trotz aller Aufklärung finden sich daher bei vielen Kirchen auch außen an den Dachrändern viele gar schröckliche Gestalten, die die bösen Geister abhalten sollten. Ein Tipp für zu Hause: In dem alten Film „Der Glöckner von Notre Dame“ bekommt man davon einige wunderschön gruselige Exemplare zu sehen. Mit etwas geübtem Blick kann man solche oft Drachen-artigen Gestalten an vielen alten Kirchen, meist oben in der Nähe des Dachs, entdecken.

Geschlossene Gesellschaft

Von der umlaufenden Balustrade oben im Baptisterium hat man einen guten Foto-View auf Domfassade und Turm, ansonsten ist sie nicht wirklich lohnend. Und was war nun der Sinn der Location und der Anordnung der Gebäude? „Baptisterium“ heißt so viel wie Taufgebäude1. Wenn man hier getauft worden war – und natürlich hierarchisch wichtigwichtig genug –, konnte man auf direktem Weg über den Domplatz zum Dom rüberprozessieren, um dann dort das Abendmahl zu empfangen und für die weiteren üblichen Riten. Solche kirchlichen Veranstaltungen gab es hier vornehmlich für weltliche Würdenträger: Religion als geschlossene Veranstaltung.

Tipp 2: Der Dom oder die Kathedrale von innen und außen

Der Dom heißt Santa Maria Assunta, frei übersetzt also etwa Heiliger Mariä Empfängnis.

Die Frauen
Dom innen: Starke Frauen vor Männern

Du solltest dir Zeit zur Besichtigung nehmen, auch innen, notfalls ein wenig warten! Und dann auf Entdeckungstour gehen. Am beeindruckendsten für mich waren dort die Figuren der Frauengruppe links hinter der Kanzel: Da ist keine wie die andere. Vielmehr findet man ganz  unterschiedliche Charaktere oder auch Rollenvarianten in den einzelnen Gestalten, d. h. alles in allem ein erstaunlich differenziertes Frauenbild. Dabei ist wortwörtlich am stärksten natürlich jene junge Frau, die einen Löwen an seiner Hinterpfote hängend im Griff hat, ihn gleichsam hinter sich herzieht. Der Löwe ist nämlich seit jeher das Symbol männlich königlicher Herrschaft. Gegenüber findet sich ihr Gegenpart von Anmut und auch Verletzlichkeit –  geduckt unterwürfig aber ist hier keine.

Die Kanzel

Dann sieh dir auch die Kanzel an. An seiner Wand im Relief unter anderem die Judas-Szene: Judas verrät Jesus bei dessen Gefangennahme an seine staatlichen Verfolger. Das Bild wirkt auf den ersten Blick chaotisch; denn es gibt sehr viele Verfolger und Beteiligte mit sehr unterschiedlichen Haltungen zu der Verhaftung vor ihren Augen. Und der Verrat selbst erscheint unten links, fast als nebensächliches Detail. Auf den zweiten und dritten Blick entpuppt sich die Komposition als perfekt durchdacht. Man kann sich auch fragen, was die Szene vom Verrat an Gottes Sohn an der Kanzel zu suchen hat, von der aus der jeweilige Kirchenobere seine aktuelle Ansicht verkündet.

Außenfassade: Ein Esel, Sinnbild der Dummheit, entspringt dem Dom von Pisa (Santa Maria Assunta)
Was will uns dieser Esel, Symbol für Dummheit, sagen, der aus dem Zentrum der kirchlichen Macht auf den Domplatz springt?
Tipps für Außen

Wirf unbedingt auch einen Blick von außen auf die bronzenen Eingangstore zum Domplatz hin. Sie sind für eine offizielle Sehenswürdigkeit nicht ganz so ehrwürdig alt, aber es gibt originelle Motive zu entdecken. Zum Beispiel, wie der Teufel von Jesus nach dessen Versuchung2 vom Felsen in den Abgrund geschubst wird. Oder auch das damals, vor der Kolonialzeit, wie auch heute wieder seltene Panzernashorn und andere merkwürdige Tiere. Auch die Fassade lohnt sich zum genaueren Hinsehen, und auch hier ist einiges schwer zu deuten. An der Südostfassade (also mit Blick zum Turm hin) sieht man z.B., wie ein Esel aus der Wand springt. Was wollte uns der Künstler sagen, wenn das Symbol-Tier für Dummheit aus dem Zentrum der kirchlichen Macht auf den Domplatz ins Freie gesprungen kommt?

Tipp 1: Das Beste von Pisa: Der „höllische“ Friedhof Campo Santo Monumentale:

Offiziell heißt er Campo Santo Monumentale. Campo Santo heißt heiliges Feld, also Friedhof. Er liegt hinter dem Dom, an der Nordseite des Domplatzes. Das Faszinierendste sind hier aber nicht die Grabplatten und Figuren im monumentalen Säulen-Rundgang, sondern die bizarren, ausufernd phantasievollen Höllenszenen an den Wänden. Leider verblassen sie langsam und werden vielleicht irgendwann nicht mehr sichtbar sein.

Auf wandgroßen Fresken erblickt man hier die Schrecken nach dem Tode. Da hält ein überdimensionierter Teufel im Multitasking-Modus seinen Betrieb am Laufen und gebiert übel Böses. Diverse Höllenqualen werden phantasie- und detailvoll ausgemalt. So zum Beispiel die wie am Schaschlik-Spieß aufgereihten Sünder, und auch Schlangen-Phobiker kommen da voll auf ihre Kosten. Dabei mangelt es nicht an Hinweisen, dass auch Mönche und Mächtige ihrer gerechten Strafe nicht entgehen, jedenfalls im Jenseits. In ihren Särgen warten sie da vereint auf ihre Verwesung. Auch viele kleine Teufeltiere gibt es zu entdecken.

Hölle: Szene mit Teufel im Campo Santo von Pisa
Campo Santo: Teufel bei der Berufsausübung (Foto bearbeitet)

Kurz: Höllisch gut, braucht einen Vergleich mit dem bekannten Höllenszenen-Maler Hieronymus Bosch3 nicht zu scheuen. Praktischer Tipp: Leider sind die Fresken schon recht verblasst. Man kann sie fotografieren, dann im Bearbeiten-Menü die Kontraste erhöhen und sich so vergegenwärtigen, was gemeint war. Noch! – Bevor sie vielleicht bald ganz verschwunden sind.

Fazit

Es lohnt sich, Pisa bzw. die Piazza del Duomo mit ihren Gebäuden zu besichtigen. Auch wenn der schiefe Turm selbst etwas banal wirkt: Er steht halt da wie auf zahllosen Postkarten. Am besten wählt man für die Besichtigung besuchsarme Jahreszeiten (z.B. November). Dann gibt es – außer beim Turm – keine Wartezeiten, man hat Platz zum Gucken. Und auch die Koberer am Rand des Platzes, die einen zu Pizza und Pasta lotsen wollen, sind fast nicht vorhanden.

Erläuterungen und weiterführende Links

  • Zu den genannten Sehenswürdigkeiten sind Links über Wikipedia und verschiedene Reiseportale leicht und zahlreich zu finden.
  • Anlass zur Entstehung des Artikels: ein Pisa-Besuch und mehrere „Grauungen“ von Texten dazu durch den arg puritanischen Algorithmus von Google Maps.
  1. Baptisterium kommt von kommt von griechisch βάπτειν/‚baptein‘ = eintauchen bzw. von dessen Intensivum βαπτίζειν/’baptizein’= taufen
  2. Der dazugehörige Text der Lutherbibel findet sich in Math 4.1-8: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/MAT.4/Matthäus-4
  3. Bilder bzw. Ausschnitte von Hieronymus Bosch findest Du z.B. bei Pinterest: https://www.pinterest.de/aupbattle/hieronymus-bosch/