Walter Richter-Ruhland – ein Schriftsteller der Nachkriegszeit

[Anm. Cosmiq.de Betreiber: Es handelt sich bei der folgenden Betrachtung der Werke und des Wirkens von Walter Richter-Ruhland um einen Gastartikel. Die Darstellungen und Meinungen sind die des Verfassers und müssen sich nicht mit denen der Cosmiq.de Redaktion decken. Der Autor dieses Gastartikels ist uns namentlich bekannt.]

Walter Richter-Ruhland, 1910 – 1975, war ein deutscher Schriftsteller der Nachkriegszeit, der sich keiner Strömung zuordnen lässt. Sein Werk umfasst wenige Erzählungen, viele Gedichte und einige Übersetzungen. Biografisch und literarisch ein Einzelgänger, widmete er sich der Beobachtung seiner Zeit in den Einzelheiten, dem Nicht-Passenden und den Rissen in den Fassaden. Insbesondere seine Gedichte verzichten zunehmend auf schönklingende Effekte, Bilder oder Reime. Sie sind selbst in den Naturbetrachtungen auf das Wesentlichste reduziert, leise und schnörkellos, nicht selten von verhaltener Ironie. Nach der Erfahrung des Krieges suchte Walter Richter-Ruhland immer wieder die schmerzhaften Verbindungen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf – zu einer Zeit, als die meisten von Vergangenheit nichts wissen wollten und sich für die Fragen der Zukunft nicht interessierten. Als Gegner verkündbarer Wahrheiten und allseits geforderter Bekenntnisse, mehr Zweifler statt Proklamierer, stand er für unbestechliche Beharrlichkeit im Gedanken. Als nach Ende seiner Broterwerbstätigkeit sich die Veröffentlichungen von Walter Richter-Ruhland mehrten und er hoffte, sich endlich ganz der Schriftstellerei widmen zu können, starb er.

Der vorliegende Artikel beschreibt die Biografie und vor allem die literarischen Werke von Walter Richter-Ruhland mit vorsichtiger Interpretation. Ein Anhang enthält zeitgenössische Rezeptionen des Schriftstellers und eine Veröffentlichungs-Liste.1

Inhalsverzeichnis

Biografisches

„ – und ich sah / aufsteigen den Rauch / über diesem Jahrhundert, hörte / Europa reden mit verzweifelter / Stimme … / – und ich hörte / Besiegte und Sieger / verstummen, / sah / das geschändete / Antlitz der Orte und Landschaften …“2

Der das schrieb, wurde als Walter Richter am 08.08.1910 in Ruhland (Niederschlesien) geboren. Den Ort fügte er später seinem Namen hinzu, um Verwechselungen zu vermeiden. Viel später, nach seiner Rückkehr, wird er sein Geburtsstädtchen bedichten als „Grauwacke / meine Heimat. Die liegt / zwischen den Steinbrüchen / Tag und Nacht. / … / Holundermark / meine Speise, den Toten / als Nachtisch gereicht.“3

Kindheit und Jugend

Walter Richter besuchte in Gutenborn die Volksschule und von 1922 bis 1930 im sorbischen Spremberg das „Reformrealgymnasium“, eine in der damaligen Bildungslandschaft relativ progressive Einrichtung. Von seinem dortigen Schulkameraden wurde er rückblickend „unser rebellischer Gefährte“ genannt, ein Einzelgänger, der schon in der Sekunda (10./11. Klasse) erste Gedichte in einer überregionalen Anthologie veröffentlichte4 und sich dem Plan seiner Eltern zu einer sicheren Beamtenlaufbahn widersetzte.

Walter Richter-Ruhland in Paris
Richter-Ruhland in Paris 1933 (© privat)

Vielmehr wurde Walter Richter ab 1930 in Berlin Buchhändler-Lehrling und anschließend, 1932, arbeitslos. Auch deshalb nahm er die Gelegenheit wahr, als Buchhändler in Paris zu arbeiten. Allerdings war das Entgelt dort so gering, dass er buchstäblich hungerte, um sich Bücher kaufen zu können.5 Bereits Ende 1933 kehrte er ins nunmehr offiziell nationalsozialistische Deutschland zurück. Arbeitslos, absolvierte er 1933/34 den „Freiwilligen Arbeitsdienst“.6 Daraufhin erhielt er einen Broterwerb zunächst als Justizangestellter, sodann als Hilfsangestellter im Wohlfahrtsamt Spremberg, bis er endlich (1939) eine Berufsperspektive als Verlagsbuchhändler im Verlag „Bibliographisches Institut Leipzig“ fand.7

Krieg

Dann aber kam der Krieg. Im Herbst 1939, kurz nach dessen Beginn, heiratete Walter Richter und wurde, wie erwartet, noch im selben Jahr (also mit 29 Jahren) kriegsdienstverpflichtet. Zunächst wurde er der Wehrmacht angegliederter Hilfsarbeiter. 1941 wurde er dann direkt zur Wehrmacht eingezogen.

Dort aber meldete er sich bald – mit Anfang 30 – freiwillig zu den Fallschirmjägern. Warum ein Nonkonformist wie er sich dieser erhöhten Todesgefahr aussetzte,8 dafür gibt es drei mögliche, sich vielleicht ergänzende Gründe:9 Dass er seine Ehe als „Irrtum“ erkannt habe;10 dass er sich, noch immer rebellierend, in der Anfangszeit bei einer Luftnachrichten-Einheit von seinem direkten Vorgesetzten lebensbedrohlichen Schikanen und Andeutungen ausgesetzt sah;11 oder aber auch ein jugendlich-trotziges Wenn-schon-denn-schon12 oder einfacher, um sich nicht zu drücken: „Begeistert hat es keinen, aber man wollte doch immerhin anständig zugrunde gehen. War gewiß nobel gedacht.“13

Walter Richter Ruhland in Wehrmachts-Uniform
Richter-Ruhland 1941 (© privat)

Zumindest ab 1943 bis 1944 war Walter Richter als Fallschirmjäger in der Normandie stationiert, 1944 in der Atlantik-Festung Brest. Diese wurde befehlsgemäß, mit den Fallschirmjägern als Kerntruppe, „bis zur letzten Patrone“ verteidigt, was ca. 10.000 Wehrmachts-Soldaten das Leben kostete.14 Der Obergefreite Richter hatte unerwartet Glück, überlebte und kam als Gefangener in die USA und nach England. Erst 1948 (also mit fast 38 Jahren) kehrte er aus der Kriegsgefangenschaft nach Deutschland zurück. Dort war er inzwischen ohne sein Wissen zum Witwer geworden: Seine Frau war von russischen Besatzungssoldaten von der Straße weg mit anderen zum Arbeitseinsatz ergriffen worden. Einige Zeit später wurden ihre Sachen an ihren Wohnsitz zurückgeschickt; offenbar war sie im Lager umgekommen.15

Doppelleben: Broterwerb und Schriftstellertum

Der Krieg ändert alles. „Ekel und Ehre, Gefühl und Besitz / zählen nicht mehr.“ 16 Und relativ spät, aber wie alle anderen Soldaten auch, erfährt er 1948 eine „Ruhmlose / Heimkehr. / Einzig das / Katzenkopfpflaster / heißt uns / willkommen.“17

In Hannover bekommt Walter Richter zunächst Arbeit in einem englischen Verpflegungsamt als „Kontorist mit Schulkinder-Aufgaben“, die er baldmöglichst beenden will.18 Endlich findet er seinen Brotberuf als Verwaltungsangestellter im öffentlichen Dienst, hauptsächlich in Umsetzung der so genannten Entschädigungsgesetze.19 Seine Behörden-Abteilung versetzte Walter Richter von Hannover (bis Mitte 1959) nach Hildesheim (wohl bis Ende der 1960er Jahre) und, nach deren Auflösung, noch einmal zurück nach Hannover.

Die Trennung von Broterwerb und Schriftstellerei verstetigte sein Dasein als kontaktarmer Einzelgänger in zwei getrennten Welten, die er in einer Kurzprosa literarisch verarbeitet:20 Tagsüber, im Büro, bleibt er der fast anonyme Schreibtischnachbar, bar jeglicher privater Kontakte und Informationen. Abends und nachts mit viel Kaffee und noch mehr Nikotin am heimischen Schreibtisch, hinter sich den rauchgelohten Bücherschrank, bleibt er auch den meisten Mitmietern des Hauses ein rätselhafter Unbekannter. Als er 1974 vorzeitig in Rente geht, um sich endlich ganz dem Schreiben widmen zu können,21 bleibt ihm dafür nur noch ein knappes Jahr, bevor er nach kurzer Krankheit am 05.08.1975, kurz vor seinem 65. Geburtstag, stirbt.

Er hinterlässt seine Frau Anne (wohl seit Ende 1949 oder 1950 verheiratet), die vor allem an seinen Übersetzungen partnerschaftlich mit über Formulierungen “sinniert“ hatte. Ihr sind mehrere seiner Gedichtbände gewidmet. Sein Begräbnis ist wie sein Leben, ohne Aufhebens: „… leichter als Luft oder Licht / liegt mein Gewicht / auf der flüchtigen Fläche der Zeit … / leicht wie ein Schatten an gelber Hauswand.“ 22

Schriften

„Spatzenlärm / sättigt nicht, und nichts / fürchte ich mehr als das / was ich zu denken / gezwungen bin …“23

Entsprechend zögerlich zweifelnd, karg in Inhalt und Form bleibt das Gesamtwerk dieses hauptsächlichen Schriftstellers im Nebenberuf. Es umfasst wenig Prosa und eine größere Menge von Gedichten in fünf eigenen Bändchen und in mehreren Anthologien. Hinzu kommen, jedenfalls gemessen an Textvolumen, noch mehr Übersetzungen russischer Erzähler.

Die Jahre hinab (Romanerzählung)

Erst gut 10 Jahre nach dem Krieg findet der Autor in Die Jahre hinab eine Erzählform, in der dessen Erwähnung zumindest indirekt möglich wird. Der Text beschreibt einen Versuch, sich in der Nachkriegswelt zurechtzufinden. Der Untertitel des Buches lautet „Aufzeichnungen eines Sonderlings“. Im Gegensatz zur großen Mehrheit, die in der berufseifrigen Alltagsroutine, auch zur Vermehrung von Einrichtungsgegenständen, morgens an der Haltestelle friert, bleibt dieser „Sonderling“ im Bett liegen, lässt die Zeit vergehen und studiert das Muster der Tapete.

Vergangenheit bleibt gegenwärtig

Aber der Vorsatz, „die Vergangenheit tot und vergangen sein zu lassen“,[S. 64] misslingt ihm periodisch. Und auch der Versuch, sich seine Selbstachtung auf gewohntem Gebiet, nämlich durch einen mehrtägigen Gewaltmarsch, wieder zu erobern, endet im Krankenhaus.24 In dieser Selbsterprobung kehren fundamentale Erfahrungen des Krieges wieder: die brennenden Glieder, Übermüdung, Hunger, durchnässt sein und schlafen im Schlamm, und, vor allem und unauslöschlich, die Angst. „Überall krallt sie sich fest, diese erbärmliche, hündische Angst. Im Gedärm, in den Hoden, in der Kehle, im Genick.“[29] Heldentum findet hier nicht statt. Auch von jener Soldatenehre, „immerhin anständig zugrunde [zu] gehen“ übriggeblieben ist „nichts als ein Häufchen Dreck, reicht bestenfalls gerade noch für ein Staatsbegräbnis, ohne Lafette versteht sich“ [131] Nicht nur hier findet sich Autobiografisches,25 sondern auch in der Erfahrung mit Vorgesetzten-Schikanen und Drill, die jegliche Normabweichung als Charakterfehler auszumerzen suchen.[77-80]

Walter Richter-Ruhland, Die Jahre hinab
Richter-Ruhland ca. 1956 (© privat)

Weitgehend autobiografisch lässt sich womöglich auch die Schilderung des Scheiterns einer Ehe verstehen. Sie wurde, wie so viele damals, unter dem Eindruck des Kriegsausbruchs, den realistisch möglichen Tod vor Augen, geschlossen. In Erwartung der Einberufung und mit nachfolgender Fernbeziehung im Kriegsdienst hatte sie fast nicht stattgefunden. Schon gar nicht hatte sie eine reelle Chance auf emotionalen Austausch und Vertiefung der Beziehung in einer gemeinsamen Lebensgestaltung.26

Perspektiven

Versucht der Ich-Erzähler vergeblich, die Vergangenheit ruhen zu lassen, so sieht er sich gleichwohl „für die Gegenwart untauglich und unbrauchbar“.[64] „Mein Lebensfaden hat sich so verfitzt, daß ihn kein Mensch mehr, am wenigsten ich selbst, entwirren kann.“ Wenn man daran ziehe, gebe das Knäuel immer ein Stückchen weiteres Leben her, aber der Rest verknäuelt sich um so mehr und wird unverwendbar.[114] Möglich, dass das Trauma der Vergangenheit unheilbar weiter wirksam ist, dass sein Zustand gar eher einer „Pflanze [gleicht], der die Wurzeln gekappt wurden“.27

Es gibt gelegentlich Anläufe, seine materielle Situation zu verbessern, aber die bleiben erfolglos. Der Protagonist hat Verständnis dafür, dass er mit seinen Einschränkungen, namentlich seiner Sehschwäche, auch von Arbeitgebern nicht akzeptiert wird. Die große Gelegenheit, mittels eines ehemaligen Mitschülers in eine gesicherte berufliche und soziale Stellung zu kommen, scheitert an seinem Ekel. Der Schulbekannte Kaule entpuppt sich als jener Typus, der als NS-Parteigenosse und -Funktionär für sich selbst den Gewinn, für andere die Todesgefahr vorsah, der sich dann im Gefangenenlager wetterwendisch bekennend zum korrupten Chef der Essensverteilung schleimt und anschließend durch Schieberei zu Reichtum gelangt ist.[116-121] „Bürgermeister, Kreisleiter, Fourier, Neureich, Schweinehund, Spekulant, Schieber, Ohnemichabermitmir! Dafür hat unsereins den Kopf hingehalten!“[130] Für ihn will der Protagonist jetzt zumindest nicht auch noch den vertrauenswürdigen Mitarbeiter geben.[162f]

Und auch im persönlichen Bereich gibt es kein Aufwärts. Der windungsreiche Versuch, eine unaufrichtige Gelegenheits-Affaire in eine Beziehung zu wandeln, lässt mangels emotionaler Einlassung am Ende zwei Verlierer zurück.

Keine Gewissheiten

Die Flucht in den Wiederaufbau stößt den Erzähler genauso ab wie jegliche allgemeine Wahrheiten. Er hat gelernt, ihnen zu misstrauen wie allen Gewissheiten – und um so mehr noch alten und neuen Bekenntnissen. „Immer glaubt man an etwas, und es ist gleichgültig, an was man glaubt.“

Wie die Handlungen, so gehen auch die Beobachtungen und Überlegungen im Verlauf der Erzählung versuchsweise in verschiedene Richtungen, setzen immer wieder neu an und stoßen zu den Wurzeln vor. Unter dem Blick dieses „Einzelgängers“ lösen sich alle vermeintlichen Wahrheiten, Bekenntnisse und Gewissheiten auf, „wie der nasse Finger eines Kindes ein Löschblatt auflöst“.28 Als verlässliche Konstanten erscheinen nur noch die Zeit29 und der Tod. Der lässt alles andere, Pläne wie Befürchtungen, relativ erscheinen. [145] Am Ausgang der Erzählung steht dennoch unausgesprochen ein kleines Stückchen individuelle Moral: Der Versuchung zur Anpassung in Form von Kaules Offerte doch noch zu widerstehen und ein wenig Zeit für sich zu gewinnen.

Kurzprosa

Schulze, EK und Co

Wieder fast 10 Jahre später, 1965, entwickelt die Kurzgeschichte „Schulze, EK und Co“30 das Thema fort. In schnoddrigem Ton ergießt sich der Monolog eines Nachtportiers über seinen Hund und belehrt ihn punkt- und atemlos über sich und andere und das Leben. Alle darin geschilderten Personen erweisen sich als Produkt des Krieges: Der Träger des Eisernen Kreuzes (jener EK), der an den Kriegsfolgen elend stirbt, die auf dem Flüchtlingstreck gebliebenen Kinder genau so wie die vergrämte Mutter, die nach Heimat suchende Frau, auch der auf seine Betrügereien stolze Ex-Schwarzmarkthändler und der enttarnte hochstaplerische Ex-Nazi. Sie alle sind gestorben oder werden sterben, unterschiedslos.[59 und öfter] Und all die historischen Berühmtheiten, angefangen bei Hindenburg,31 den vielen „Geschaftlhubern“ mitsamt [Partei-]Genossen, den Generälen, bis hin zu Nitribitt:32 „Die Lebenden und die Toten, sie pappen als Fotos an der Wand, ohne Unterschied“. [65]

Auch mit Blick auf die Zukunft eröffnen sich nun verschiedene, aber nicht unbedingt rosigere Möglichkeiten. Dem Intellektuellen, der die Zeile „Einigkeit und Recht und Freiheit“ dem „Volk der Richter und Henker“33 andienen will, hört schon lange keiner mehr zu.[64] Und „sie marschieren und singen dazu wie eh und je das alte O du schöner Westerwald, und achtzehn hieß es Nie wieder Krieg und nach fünfundvierzig Kein Deutscher wird je wieder eine Waffe tragen,34 Geschwätz, Bruder, … und in Röhndorf blühen die Rosen35 …“. Wenn es wieder anfängt, „da gibt’s keinen Nachruf …, höchstens ne Hand voll Chlorkalk“ [59]. Als Perspektive und Hoffnung bleibt: Nachtwächter und Hund, „beide müssen wir auf unserem Platz ausharren, vorausgesetzt natürlich, dass keine nuklearen Ereignisse eintreten und die Konjunktur anhält …“[64]

Zwei weitere, spätere Prosa-Kurztexte liegen thematisch weiter entfernt:

Wer ist Kaldenbach?

In „Wer ist Kaldenbach?“36 beschreibt Richter-Ruhland, wiederum atemlos fast ohne Punkt, gleichsam sein Alter Ego, das sich als anonymes Doppelleben von Broterwerb und Schriftstellerei entpuppt. Im Büro begegnet Kaldenbach seinem Schreibtischnachbarn freundlich, aber ohne jegliche private Äußerung oder Information. Er bleibt dort der unbekannte Einzelgänger, wortkarg und grußlos. Als jener Kollege sich auf einen Krankenbesuch macht, stellt sich heraus, dass der Kollege Kaldenbach auch privat keine Kontakte hat. Vielmehr verbraucht er seine Zeit und seine Gesundheit mit Schreiben, von dem nur wenige Kundige respektvoll Notiz nehmen. Der Text endet mit dem Eintritt ins Krankenzimmer: Auch hier kommt es nicht zu persönlichen Informationen oder gar Äußerungen.

Zilly und andere

Zilly und andere“,37 erschienen im Jahr vor seinem Tod, kommt auf den ersten Blick daher wie ein erzwungener Auftragstext zum Thema des Bandes, „Liebe“. Der Ich-Erzähler hat dazu wenig beizutragen, weil er sie nicht kennt. Allenfalls gröblich geschilderte sexuelle Kontakte, in deren gröbster, nicht gewaltfreier, ausgerechnet die vertane Möglichkeit einer emotionalen Beziehung sich andeutet. Dieser ostentativ vorgetragene Habitus der Nichteinlassung kann zum einen als Anklage des Verlustes von Liebe durch bedenkenlos öffentliche Sexualisierung gedeutet werden. Auf der gesellschaftlichen Ebene kann der Text seine Entsprechung finden in der damaligen sozialpsychologischen Diagnose, der „Unfähigkeit zu trauern“, 38 allgemeiner, der Unfähigkeit jener Generation im Umgang mit Gefühlen und daher auch der Unfähigkeit zur angemessenen Aufarbeitung einer traumatisch erlebten Vergangenheit. Obwohl der Text von Walter Richter-Ruhland inhaltlich und stilistisch literarisch zu verstehen ist,39 ist es vielleicht kein Zufall, dass er mit seiner Themensetzung vielleicht als schwächster und jedenfalls in der Perspektive schwärzester Prosa-Text des Autors anzusehen ist.

Die Katze

In krassem Kontrast zu den anderen Erzählungen steht „Die Katze“,40 eine zuerst 1957 erschienene Kindheits-Episode aus den jährlichen Sommerferien auf dem Bauernhof bei Onkel, Tante und Großvater. In einer Aufwallung von Hass schleudert der Junge einen Holzscheit auf die schwarze Katze, die (vermeintlich) tödlich getroffen liegen bleibt. Ungewöhnlich ist nicht die Geschichte, sondern die schonungslose, schmerzhaft wahrhaftige Ausdifferenzierung der widersprüchlichen Gefühle des Jungen. Durch die schweigende Mitwisserschaft des geliebten Großvaters wird die Tat zur quälenden Last. Im Gegensatz zu den emotional distanzierten, vorgeblich moralisch nihilistischen Protagonisten der anderen Erzählungen wird hier große Sensibilität offengelegt. Auch diese Geschichte lässt sich biografisch deuten. Die Erinnerung an den Großvater durchzieht eine ganze Reihe von Gedichten bis hin zum eigenen Tod.41 Statt lakonischer Auseinandersetzung mit dem unausweichlichen Tod endet diese Geschichte mit hemmungslosem Weinen in Tantes Schürze.42

Mit seiner zweifachen Veröffentlichung nimmt „Die Katze“ nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich eine Sonderstellung ein. Sie steht gleichsam am Anfang und am Ende der Prosa-Veröffentlichungen von Richter-Ruhland, umrahmt sozusagen kontrastiv sein Prosa-Werk: Wohl 1956 zusammen mit Passagen aus seiner Erstlings-Erzählung „Die Jahre hinab“ öffentlich gelesen,43 erschien sie zuerst 1957. Ein zweites Mal wurde sie dann eher gegen Lebensende, ab 1972, in 2 Auflagen veröffentlicht,44 ein Jahr vor seiner letzten Prosa „Zilly und andere“.

Um so gewichtiger hilft dieser kurze Text beim Verständnis des Schriftstellers. Er bewahrt davor, die geschilderte Haltung seiner Protagonisten mit der Auffassung des Autors zu verwechseln. Die Kurzerzählung erleichtert Differenzierungen herzustellen zwischen den unterschiedlichen literarischen Ichs des Prosawerks und deren Distanz zu einem realen Ich des Autors wahrzunehmen. Ohnehin: In seinem realen, namentlich privaten Umfeld gab sich Richter-Ruhland keineswegs so dunkelschwarz wie seine literarischen Protagonisten. Seine Fähigkeit zum Fabulieren und Scherzen brachten ihm dort vielmehr schon früh den Spitznamen „Till“ [Eulenspiegel] ein. Zumal in seiner zeitlichen Kontinuität kann „Die Katze“ auch eine Brücke herstellen zum Verständnis des lyrischen Hauptwerks. Auch dort verbirgt sich Sensibilität in kargen, oft fast spröden Formulierungen, individuelle Moral im Kleinen und in Abgrenzung zu jeglichem großen Ganzen.

Gedichte in Anthologien (Gedichtsammlungen)

„Jugendwerke“

Erste Verse veröffentlichte Walter Richter-Ruhland bereits als Oberschüler in einer überregionalen Anthologie.45 Vom 16- oder 17-Jährigen (1927) stammt das erste zugänglich veröffentlichte Gedicht:46 „Da war ich nicht / Und schwang doch schon, / Da schlief ich tief / Im reifen Mohn“, heißt es da in braven Versen und Reimen. In den folgenden 1930er Jahren erstrecken sich die Themen von persönlichen Verortungssuchen in Ort, Zeit und Umfeld bis hin zur Liebeslyrik („Ich der Baum und du die Erde / Drin er fest verwurzelt steht./ … / Ich das Dunkel, du die Helle. / Eines in das Andre rinnt …“). Die ersten sechs heute auffindbaren Veröffentlichungen stammen von 1930, in Junge deutsche Dichtung, Eigenbrötler-Verlag. Das Buch wurde im Nationalsozialismus verboten und verbannt.47 1931 folgten weitere Veröffentlichungen, darunter das genannte Erstgedicht, in der Anthologie Am Mikrophon der Zeit. Schon damals sieht sich Walter Richter-Ruhland gesondert von den anderen: „Denkst du an Vater, Mutter, die Geliebte, / Und gehst am Abend durch der Straßen lautes Glück, / Bin ich der früh – Betrübte / Und bröckle von mir selber Stück um Stück.“48 Das Thema Tod erscheint, naheliegend, mehrmals in Gedichten von 1943 und 1944.49

frühe Gedichte von Walter Richter-Ruhland 1931
Lyrik-Anthologie 1931 (etwas rauchverfärbt)

Aber nicht verschwiegen werden soll hier: Von 1936 stammt der martialisch anmutende Zyklus-Titel „Sturm und Gesetz“ mit mindestens 7 Gedichten.50 Daraus stammen augenscheinlich auch zwei weitere, damals gar zu Liedern vertonte Texte, die heutzutage im Netz von unappetitlich rückwärtsgewandten Kreisen der USA halblegal in Umlauf gebracht wurden.51 Den einen Text kann man noch als banal jugendbewegt tönende, zwangsoptimistische Frühlings-Hymne ansehen, die kein Klischee dieser Liedgattung auslässt:52 Leises Wehen, brausende Ströme, Vogelflug und Wolkenzug, dunkle Wälder und freie Felder, mündend in „helles Rufen der Freude in der Welt … schwingt hinan zum Himmelszelt“. Den anderen Text hingegen muss man als propagandistisch, zumindest als fasziniert-affirmativ einstufen. Er beginnt mit auch damals gängigen, kriegstauglichen Legitimationen (man zwang uns ja … eigentlich finden wir Frieden ja wichtiger als Krieg, aber noch wichtiger ist die Freiheit vom Joch und die Ehre usw.) und mündet in wir bauen den Weg ins Reich und schauen alle auf den [unbenamt bleibenden] großen Vorangehenden. Damit stimmt der Text ein in verbreitete nationalistische Drohgesten samt Bekenntnis zu Geschlossenheit einschließlich Führerprinzip.

Beide Machwerke sind so peinlich, dass Walter Richter-Ruhland sie – im Gegensatz zu anderen Gedichten aus jener Zeit – auch aus allen privaten Textsammlungen ferngehalten hat. Trotzdem sind sie, schon aus Gründen der historischen Redlichkeit, zu erwähnen. Diese Lieder sind ein weiterer kleiner Beleg mehr dafür, dass der Krieg 1939 keineswegs überraschend, mental unvorbereitet „ausbrach“, wie im nachhinein gerne kolportiert wurde.53 Möglich ist, dass sich auch bei diesen unentschuldbaren Verbalkatastrophen der Einfluss des von Richter-Ruhland seit jeher hoch verehrten Gottfried Benn geltend gemacht hat.54 Vielleicht waren diese Bekenntnis-Gedichte auch schlicht der Preis dafür, nach vorangehendem Verbot und Rückkehr aus dem Pariser Hungerdasein nach Deutschland gelderwerblich Fuß fassen zu können. Und vielleicht auch hat nur der Widerwille gegen Anpassung, wie er schon beim jugendlich „zum Außenseitertum entschlossenen“55 Walter Richter-Ruhland ausgeprägt war, ihn davor bewahrt, solchen Worten auch politische Taten folgen zu lassen. Dennoch wird er – im Gegensatz zu manch anderen – nicht wirklich heimkehren können „Aus dem unverzeihlichen Irrtum / Der Sünde und Schuld“.56 Und Bekenntnisse aller Art waren ihm zumindest seitdem ein verächtliches Gräuel.57

Nach dem Krieg

Der Krieg ändert alles, auch die Form seiner Gedichte. Nicht plötzlich, aber nachhaltig.58 In den Folgejahren schwinden Reime ebenso wie glatte Metrik vollständig. Und ganze Sätze reduzieren sich zuweilen auf karge Wortgruppen, deren Bedeutung fragil bleibt. „Nutzlose Zeilen, aufgeschrieben vor / Jahr und Tag. Und die Wahrheit von gestern / ist nicht die Wahrheit / von heute. Fahrpläne verlieren / über Nacht / ihre Gültigkeit, und die Lerchen / begraben den Tod / im Himmelblau.“59 Bis Ende der 1950er ist Walter Richter-Ruhland lediglich in vier Anthologien mit insgesamt 15 Gedichten vertreten.60 Etwa zeitgleich mit seiner großen Prosa-Erzählung schon künden auch sie nicht von Ankunft, sondern eher von Nicht-Ankunft: „Ich kehre heim: / Wenn die Uhren der Zeit / Stillstehn / … / Die Seele im Schlick der Städte verfault ist.“ – „Ich kehre heim: In die abstrakte Weisheit / Der Nacht; in das Schweigen / … / In die Geburt meines Todes.“ 61

Auch in seiner Lyrik ist die Vergangenheit noch lange nicht vergangen: „Dem Dunkel entronnen, / … / Leuchtschirme, Bombengeschwader, / Das nackte Gebell der MG und Geschütze / Zerreißen die Stunde noch immer“. Dagegen, fährt das Gedicht fort, stehe wenig, aber immerhin: Gedichte, klassische Musik, Brot und Öl, „Das Gespräch zwischen dir und mir“ und „Die unerklärliche Landschaft des Himmels / Noch immer.“ 62 Oberflächliche Sicherheit aber ist trügerisch: „… Orpheus / Singt die Nacht an! / Seine rasenden Finger / Schlagen die Saiten der Angst, / … / Oben weißt du / … / … die absolute Geborgenheit / Selbst noch im Anflug / Der Bombengeschwader.“63 Denn was ist, „Wenn wieder die Würgengel schrein/ Daß dir das Trommelfell birst“ ?64

Noch beim Umzug in das eher beschauliche Hildesheim 1959 zieht das Kriegstrauma von Brest mit: „Atlantische Spuren, Sand / in den Falten des Seesacks / Woher und wohin?“ … „Zu deuten nichts. / Starke Bomberverbände / Im Raum / Hildesheim-Braunschweig. / Die tausendjährige Rose / Dunkelt den Hades hinab.“ 65

1960er/ 1970er

Erst in den 1960er Jahren ist Richter-Ruhland regelmäßig in Lyrik-Anthologien vertreten.66 Darunter befindet sich auch das bitter ironische „Einverständnis“: „Einverstanden mit allem / auch mit der Ächtung / des Vogelgesangs.“ 67 Deutlicher und knapper lässt sich eine Absage an jegliche anpasslerische Bekenntnisse, wie sie zu allen Zeiten gefordert werden, kaum ausdrücken.

Die 1970er Jahre halten noch eine Überraschung bereit: Auf der Suche nach zeitgenössischer deutscher Literatur stößt das Department of German Languages der traditionsreichen Universität von Texas in Austin auf den zurückgezogenen Verseschreiber aus Hannover. Dessen Zeitschrift Dimension veröffentlicht und übersetzt 1972 und 1974 jeweils eine Auswahl mehrerer Gedichte.68 Darunter „Ohne Ort“: „Wirklich, wir leben / sehr ruhig jetzt, leben langsam / an morschen Holzzäunen hin. /…/ Seit langem schon / sind uns die Kürbisranken / Vorbild.“ Und noch expliziter: „Seid unbesorgt, wir haben / Fenster und Türen / vor Einbruch der großen / Kälte abgedichtet, es sind / genügend Vorräte im Keller, … / … / [wir sind] auf das Schlimmste gefaßt, auch auf die andre / Hälfte der Wahrheit, wir haben /… / eingemottet die Seele und weggehängt /mit der entbehrlichen / Sommergarderobe, und die Galoschen / stehn bereit für den Fall / daß wir das Haus / verlassen müssen.“69

Der Ton ist leiser, sparsamer geworden, man muss genauer hinhören: kein „Spatzenlärm“. Allerdings auch keine Beruhigung der Beunruhigung.

Eigene Gedichtbände

Eine Reise, ein Tag, eine Rose

Der erste eigene Gedichtband erscheint 1968 unter dem Titel „Eine Reise, ein Tag, eine Rose“.

Im ersten Teil enthält der Band Naturbetrachtungen. „Flüchtige Miniaturen – / Schattengerank / an zerbröckelnder Mauer, / geschmeidiger Eidechsenblitz – / Die Leere der Luft / schmeckt nach Anis.“70 Aber auch die Natur bleibt eben „flüchtig“, und auch hier „An zerbröckelnder Mauer / Visionen / des Hieronymus Bosch.“ 71 In den Naturskizzen findet sich nicht nur „die unbegreifliche / Architektur der Luft“, sondern auch „… Lautloses / Schmatzen des Todes / unter den Schnittflächen / der Blumen.“[24]. Der Tod erscheint „wieder und wieder“,[34] bis hinein ins Bett: „Vergiß, wenn du kannst, / süße Ophelia, / die alte / Lüge des Monds. / Sing, wenn du kannst – / Unser Tod nimmt kein Ende“.72

Zwischen Vergangenheit und Zukunft misslingt die „Heimkehr zur Unzeit“: „Europa wie Schorf / im Gesicht. / Moorwasseraugen / tasten das / Gangbare ab, / den schmalen / Fußbreit Erde im toten / Winkel der Hoffnung.“ [52] Da bietet selbst der Geburtsort keine Heimat mehr: „… Schwarze Elster / mein Fluss. Der schlappt / nassen Fußes über / Sandbänke, Scherben, verrostete / Faßbänder, Katzenkadaver …“ 73 Entsprechend ist die Zukunft bestimmt von „Befürchtung“: „Die Stimme / des Nachrichtensprechers im Radio / lähmt mir das Herz / täglich aufs neue. / … / Die Sonne, die morgen früh / aufgeht, / ist vielleicht / ein künstlicher Stern.“[53]

Meine Waffe Bleistiftstummel

Versammelt der erste Lyrik-Band zuweilen noch stilistisch leicht Unterschiedliches aus den vorangegangenen Jahrzehnten, tragen die folgenden vier Bände, erschienen 1971 bis 1975, die unverwechselbare Handschrift des reifen Autors. Die Texte werden noch schlanker und radikal unprätentiös. Da gibt es kein „O“ und kein „Höre!“ mehr, keinen auf Wohlklang zielenden Reim, und schon gar nicht blumig-gebauschte Metaphern, sondern Reduktion auf das Wesentliche, sparsam, mitunter fast karg, in atemlosem Zeilensprung.74

Die Themen Tod und Zeit finden sich auch hier wieder, gehen Verbindungen ein mit vielfältigen, widersprüchlichen Augenblicks-Beobachtungen. „Krüglein Vergißmeinnicht, / gieße / dein Blau in die Nacht / … / Uhren, steht still. / … / Silberne Disteln / Landen im Mond“ 75 und erfahrbar auch „Das Weiße / im Auge der Nacht / leistet noch immer / Widerstand“76 Aber weiterhin stetig begleitend auch „… Sicher ist, / daß wir kein Birkengrün mehr / unbefangen / betrachten können.“ 77 Und bis ganz zuletzt bleiben, auch beim Sprechen und Schreiben darüber, „Zwischen den Silben / Geräusche der / Stille, der Angst, / der Zerstörung.“ 78

Widmung von Walter Richter-Ruhland im Gedichtband Kalliste
Widmung von Richter-Ruhland in seinem Todesjahr (© privat)

So bleibt auch das Misstrauen in die Zukunft: „… Vorsorglich nehmen wir Abschied von allem, / was uns ans Herz gewachsen ist. / … / Nach wie vor / enden die Spätnachrichten / unentschieden.“79 Das wird mitunter auch ironisch explizit: „Auch du / kannst überleben. / Tritt dem Verband / der Eichhörnchen bei. / … / beziehe beizeiten Winterquartier“ 80 – Trügerisch die geentertainte Wirklichkeit „Auf den Bildschirmen / die Formeln des Glücks. / Der Krieg wird anderswo / fortgesetzt.“81 – Verweigerung, den Kalten Krieg der Systeme, Gut gegen Böse, mit zu betreiben: „Mischwälder hüben wie drüben. / Eichen, Birken / werfen hüben wie drüben / ihr Laub / ab … / Der Buchen Rostrot / überdauert manches / Hasenleben.“82 oder noch lakonischer: „… Kein Unterschied / zwischen dem Hundegebell / hüben und drüben“ 83

In erster Person Einzahl

Mitunter wird das Misstrauen auch aktuell politisch, lange vor heutigen digitalen Erfassungsmitteln: „Sie wissen / … / genau / Bescheid über dich. / … / Du bist deiner ungeträumten / Träume wegen / verdächtig. / Sie werden dich nie / zur Sache vernehmen. / …“84 Für diese Befürchtung lieferte nicht nur die Atmosphäre des Kalten Krieges einen allgemeinen Hintergrund, in der abweichende Meinungen flugs als „von Moskau gesteuert“ diffamiert wurden, sondern es gab auch einen aktuellen Anlass, nämlich den erst zwei Jahre alten “Radikalenerlass“ in der Bundesrepublik, sowie zuvor eine lange Reihe von Gesinnungsverfolgungen in Ost (sowieso) und West.85

Im Ablauf der Zeit und den verkündeten Nachrichten ist nichts Neues zu erwarten, und so hält sich der Autor weiterhin außen vor, schreibt weiterhin „… in erster Person Einzahl … / Das Panoptikum berühmter Figuren erhält / unentwegt / Zuwachs … / Die nächste / Revolution längst schon / vorbei“86 und auch die „Nachrichten von morgen“ sind beliebig wiederkehrend wie Jahreszeiten; sie lassen selbst ihr Ende als beiläufig und absurd erscheinen: „Blütenschaum“, „Blätterfall“, „Die Opposition / dementiert / ihren Rücktritt, das endgültige / Scheitern der Demokratie“, steht analog zu „Laubfall, / niederflockender Schnee, umlaufende / Winde aus wechselnden / Richtungen …“87 Es ist „die Wiederholung schon bekannter / Meldungen. Die Wettervorhersage verheißt / Vögel mit brennenden / Flügeln …“ 88

Der zweifelnde Blick geht nun auch weiter in die Vergangenheit; schon von Anbeginn sind die Nachrichten über „Propheten, die Kursbuchmacher“, über Jesus und Geschichten aus dem alten Testament, „die das Schicksal voraussagen – All die Nachrichten über sie entstellt …unzuverlässig, / vielleicht auch / gefälscht …“89 Und so sieht Walter Richter-Ruhland bis an sein Lebensende das Menetekel des alles vernichtenden Krieges: „Denke an Troja. / Denke an Hiroshima. / Denke an heute.“ 90

Mit der Zeit nistet sich der Zweifel auch in die eigene Wahrnehmung ein: „Vergesst, was die Augen / noch hör’n – wir sind / taub geworden vor lauter Hinsehn …“91 Und resignativer: „Nicht mehr warten auf das, / was nicht kommt. / Das Gedächtnis durchlässig machen / für Sternbilder und Schiffbrüche. / Für immer der gültigen / Ordnung der Handlinien folgen.“92 Es bleibt „ein Bündel Worte – eingesammelt in wieviel/ Jahrzehnten?“93

Kalliste

Der schmale Lyrikband „Kalliste94 weist eine Besonderheit gegenüber den anderen Gedichtbänden auf: Seine Texte sind durchweg kurz, oft fast wie Epigramme, und ohne Überschrift. Korsika, in der griechischen Antike auch „Kalliste“, die Schönste, genannt, 95 ist die erste und einzige Begegnung im Leben des Schriftstellers mit Natur und Licht des Mittelmeers: „Schreiendes Gelb, / Zitadellenweiss, / Mohnrot,/ Korsikablau“ [7] und ermöglicht Einklang: „Das Meer, das Licht, / das Gestein, dieses / Gedicht“. [6]

Hier herrscht eine andere, unverdächtige „Stille. Eidechsen / weisen den Weg / in Senecas Reich.“96 Die Mittelmeerinsel ermöglicht neue sinnliche Erfahrung: „Du bist / nie gewesen, wenn nicht / deine Füsse die Krume / Erde ertasten.“[30].
Und hier am ehesten findet Harmonie mit der Natur statt, Befürchtungen dürfen schweigen: „Nun wird die Stille / still. Eidechsengrün / atmet die Welt.“ [16]. Sogar das Wachsen der Liebe und ihre scheue Vereinigung mit Erotik wird dem gefühlsskeptischen „Sonderling“ sagbar: „Tage und Tage … / So wachse ich dir / entgegen / … / Nächte und Nächte … / nirgendwoher / rühr ich dich an, leiblich und / endlich, ein / einziges Mal.“ [34].

Zeitspindel

Fast im Gegensatz zur arkadischen Erfahrung von „Kalliste“ steht der letzte Gedichtband, „Zeitspindel“, aus dem schon zitiert wurde. Nicht nur die Texte in sich werden vielfältiger, oft sperriger, auch Themen. Sie erstrecken sich von Natur über geschändete Umwelt,97 orientierungsloses Getriebe des öffentlichen Lebens und bindungslose Politik bis zur weiteren Suche nach Heimat,98 geschichtlich von Agamemnon99 bis zum Wechsel zu künftigen Generationen100, von Erinnerung an Geborgenheit bei den Großeltern101 und an Jugend,102 Reflexion der Biografie103 bis zum eigenen Altern,104 eben „Die im Winde sich drehende Zeitspindel“ [24]. Da kommt auch der eigene Tod nicht überraschend und – endlich! möchte man angesichts der früheren Nachkriegs-Texte hinzufügen – ohne Schrecken. „Wenn das Zirpen der Stille verstummt“105, werden wir „leiblich und endlich daheim sein“.106

Die Welt bleibt über den eigenen Tod hinaus auseinanderfallend und beunruhigend, die eigene Haltung bleibt ihr gegenüber daher weiterhin „Zu- und abgewandt“. Das eigene Leben darin aber ist als endlich zu akzeptieren: „… Mischwälder / Steilhänge, Abschiede, die Verwandlung / von Fischen in / Düngemittel, abseits / der Autobahnen ein Halleluja / den Toten / … / Geh nun / die Stiege hinauf, es ist / Zeit, den Kindern / Gutenacht zu sagen.“ [13]
Und das Leben des einzelnen ist damit auch nur eine endliche Zeitlang Teil der Welt: „Sagen wir also / ohne Bedauern / Lebewohl, verwischen wir / sorgsam die Spuren, daß wir / anwesend waren.“ [29]

Schriftsteller schreibend am Schreibtisch
Walter Richter-Ruhland am häuslichen Schreibtisch, 1962 Hildesheim (© privat)

Übersetzungen russischer Erzähler

Die Übersetzungen von Erzählungen aus dem Russischen haben, gemessen an ihrem Textumfang, den größten Anteil an den Veröffentlichungen von Walter Richter-Ruhland. Ihr Kennzeichen und Erfolgsmodell war die Zusammenarbeit: Ottomar Schwechheimer, des Russischen mächtig, fertigte die Grobübersetzungen ins Deutsche an; die Aufgabe von Walter Richter-Ruhland bestand darin, daraus sprachlich-stilistisch literarische, dennoch sinntreue Texte zu erstellen – mit einem heute kaum noch anzutreffenden Qualitätsanspruch. Kommuniziert wurde zwischen den beiden Übersetzern durch das postalische Hin- und Her-Senden von Erst- und Korrekturtexten, brieflich bei einzelnen Fragen der Interpretation und – selten, weil teuer – auch mittels telefonischem „Ferngespräch“. Von 1958 bis 1968 erschienen diese Erzählbände, bis auf zwei Ausnahmen, in der Reihe Goldmanns Gelbe Taschenbücher.107 Erzählzeitlich reichten die Übersetzungen bis ins 19. Jahrhundert zurück, zum Aufbruch des noch immer halbfeudalen zaristischen Russlands.108

Wege in die Moderne (Mamin-Sibirjak, Turgenjew, Puschkin, Tschechow, Bunin)

So beginnt die Reihe der Übersetzungen mit Mamin-Sibirjak. Der schildert in seinen Geschichten, wie im Ural des 19. Jahrhunderts in den Reformjahren altpatriarchalische Strukturen mit neuen Lebensformen zusammenstoßen. Aus dieser Zeit ist zudem Turgenjew, der Meister der Schilderung seelischer Schwingungen, mit drei der schönsten Liebesnovellen der Weltliteratur vertreten (Unter dem Buchtitel „Erste Liebe“): „[Die Poesie] sagt uns nicht nur, was gewesen ist, sondern auch das, was besser ist als das Vergangene und mehr der Wahrheit entspricht …“. Auch die Übersetzungen von Puschkin und Tschechow 109 beziehen sich auf diese Umbruchszeit. Weniger verbreitet ist heute der Exil-Schriftsteller Iwan Bunin.110 „Ungewöhnlich scharf erfaßte Bunin die Krise, in die der Adel um die Jahrhundertwende geriet“, schrieb Walter Richter-Ruhland.111 In vorgeblich harmlosem Plauderton gelingen ihm treffsichere Bilder aus dem Leben der wohlhabenderen Stände.

Revolutionärer Umbruch (Gorki, Scholochow)

Die Zeit des revolutionären Umbruchs ist in den Übersetzungen auch mit zwei Erzählbänden von Maxim Gorki112 vertreten, der in seiner Jugend weite Teile des großrussischen Reichs, auch der Ukraine, als Gelegenheitsarbeiter durchwanderte. Die übersetzten Erzählungen entstammen der Jahrhundertwende (im Band „Erzählungen“) und der unmittelbar vor- und nachrevolutionären Zeit („Die Feuersbrunst“). Letztere schildern laut Einführung nicht selten „Sonderlinge“ (was uns an den Untertitel von Walter Richter-Ruhlands Romanerzählung erinnert). Als populärer Anhänger und Betreiber der russischen Revolution geriet Gorki bald in Widerspruch zur bolschewistischen Herrschaft. Und er trat wiederholt in Wort und Tat gegen die um sich greifende Zensur und politische Verfolgung ein.

Der so genannte Bürgerkrieg in Russland113 nach der Revolution von 1917 ist vertreten durch Scholochows „Geschichten vom Don“.114 In seinem Nachwort schreibt Richter-Ruhland über Scholochow: „Seine ‚Helden‘ sind Menschen von Fleisch und Blut, sind echte russische Menschen. Er macht uns mit ihren Gedanken und Hoffnungen vertraut, mit ihren Sorgen, Nöten und Freuden; er zeigt ihre Schwächen und ihre Fehler, schildert ihre Güte und ihre Grausamkeit.“[161] Und der Verlag betont im Klappentext die „humane Grundhaltung“ des Autors in der Schilderung „immer echte(r) russische(r) Menschen, … voll Schwächen, Größe und auch – Humor.“ Damit haben beide auch eine wesentliche Funktion dieser Veröffentlichungsreihe angesprochen. Dem überkommenen Bild vom „russischen Untermenschen“ oder einer willenlosen Masse von „Sowjets“115 stellt die Veröffentlichungsreihe die Vielfalt der russischen Geschichte, Kultur und Menschen entgegen.

Kritische Stimmen aus der frühen Sowjetunion (Olescha, Soschtschenko)

Dabei nimmt immer wieder die kritische Satire einen vornehmen Platz ein, auch in den übersetzten Erzählungen aus der frühen Sowjetunion. Die ist zum einen durch Jurij Olescha vertreten. Sein Roman „Die drei Dicken“ erschien erstmals 1928116 und richtete sich vorgeblich zunächst an Kinder, ist aber voller Witz und Ironie gegenüber jeglichen Machthabern.117 Auch weitere Erzählungen in diesem Band neigen immer wieder zur Groteske, zeugen aber zugleich von hoher Sensibilität.118 Zwischen der (vorrevolutionären) alten und der (sozialistischen) neuen Welt entdeckt dort der Protagonist als Drittes „(d)as unsichtbare Land der Aufmerksamkeit und der Phantasie“, hervorgerufen durch die Liebe. Aber, so sein Mitbewohner, „(d)as ist im Plan nicht vorgesehen.“119 Die dadurch veränderte, subjektiv deutende Wahrnehmung der Wirklichkeit führt den Verliebten in ein Dilemma: „Ich lebe im Paradiese“, sagte der junge Marxist tonlos. “Sind Sie Marxist?“ fragte eine Stimme neben ihm. „Ja, ich bin Marxist“ – „Dann dürfen Sie nicht im Paradiese leben.“ Der Farbenblinde spielte mit einer Gerte. Schuwalow seufzte. „Was soll ich denn machen? Die Erde ist zum Paradies geworden.“ Der Farbenblinde pfiff leise vor sich hin.120

Walter Richter-Ruhland, der vehement jegliche -Ismen und Bekenntnis-Kulturen ablehnte, positionierte sich zu diesen Texten in seiner Einleitung zu diesem Band. Er zitiert hintersinnig bejahend die offiziöse – in der stalinistischen Kulturauffassung vernichtende – Kritik, er sei ja „Idealist und Träumer“. Denn, so Walter Richter-Ruhland, für Olescha sei „der Kommunismus nicht nur eine wirtschaftliche Einrichtung, sondern auch ein moralisches Konzept“ und seine Rede auf dem Schriftstellerkongreß 1934 ein „leidenschaftlicher Aufruf zur Humanität“.121

Bekannter ist der Autor Soschtschenko.122 Seine humoristische Wirkung beruht nicht zuletzt auf seiner Sprache. „Seine Personen unterhalten sich in einem eigenwilligen, skurrilen Jargon, in den laufend falsche Wortverbindungen, wissenschaftliche Ausdrücke und mundartliche Redewendungen eingeflochten sind“123 – für einen übersetzenden Schriftsteller eine wunderschöne Herausforderung und ziemlich lustig zu lesen.124 In einem ausufernden „Vorwort“ verspottet der Autor Soschtschenko offizielle Kritik und Zensur: Vorwürfen zuvorkommend, räumt er ein, dass seine Person „sozusagen imaginär“ – also nicht der Doktrin des Sozialistischen Realismus entsprechend – sei. Ein „mittelmäßiger Typ, der zufällig in einer Zeit des Umbruchs zwischen zwei Epochen lebt.““Neurasthenie, ideologische Wankelmütigkeit, erbliche Widersprüche und Melancholie – mit all dem mußten wir unseren Helden ausstatten.“ Und er bezeichnet seine Gedanken schon mal als „albernes Zeug, leere Phantastereien“, die nun einmal in der „sentimentalen Natur des Verfassers“ begründet seien.125 Auch Soschtschenko war zunächst Revolutionär, schloss sich 1918 der Roten Armee an, war mit seinen hintergründigen, zunehmend kritischen Erzählungen äußerst populär, bis auch er dann aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen wurde.

Walter Richter Ruhland, der Schriftsteller privat
Richter-Ruhland ca 1959 (© privat)

Gemeinsamkeiten

All diesen Übersetzungen ist gemeinsam, dass sie aus dem Blickwinkel einer humanistischen Grundeinstellung in Geschichte und Gegenwart der russischen Literatur viele Personen und Sichtweisen in einer oft dramatischen und harten Entwicklung ausbreiten, mit Menschen, die stark und schwach, mutig und feige, ernsthaft und humorvoll sind. Nicht durch pathetisch-flammende Anklage, sondern feinsinnig und mit viel Ironie zeichnen sie das vielschichtige Bild des Landes und seiner Menschen. Resultat ist nicht Hass, sondern Verständnis.

Über den Autor Walter Richter-Ruhland erfahren wir in all diesen Übersetzungen nicht nur, dass er mit seiner Sprache umzugehen weiß. Sondern auch, dass er – im Gegensatz zu einem ansonsten vorherrschend vorgetragenen Nihilismus – hier eine meist unausgesprochen moralische Haltung des Individuums mitträgt. Deutlich wird auch seine Freude, an der ironischen Dekonstruktion vorgeblicher Gewissheiten, proklamierter Wahrheiten und erzwungener Bekenntnisse mitzuwirken; den „Außenseitern“ und „Phantasten“ in der russischen Literatur auch gegen alle nationalistischen oder ideologischen Vorurteile in beiden Ländern zur Stimme zu verhelfen.

Zeitgenössische Stimmen zu Walter Richter-Ruhland

Rezensionen in Tageszeitungen liegen nur vereinzelt vor. Nicht verwunderlich, gibt es zur Prosa-Erzählung weitaus mehr publizistische Äußerungen als zum lyrischen Werk. Indirekt bestätigen sie dem Autor, den Finger schmerzhaft in die Wunde gelegt zu haben: Da zeigt sich, namentlich bei den Feuilleton-Profis, mitunter kaum verhohlene Empörung über vermeintlich proklamierten „Negativismus“ und Wirtschaftswunder-Verachtung, verbunden mit der konsequenten Weigerung der Rezensenten, sich auf die von Richter-Ruhland hartnäckig thematisierte, ursächliche Vergangenheit überhaupt einzulassen. So werden die Äußerungen des Textes zu einem primär individuellen Problem, zu einer tolerierbaren Einzel-Gegenmeinung eines freiwilligen Losers. Die Rezensenten bestätigen damit die vorausschauende Warnung seines Verlegers Dr. Witsch (s.u.), dass man derlei Unbequemes nicht oder nur widerwillig zur Kenntnis nehmen werde. Die karge Lyrik scheint demgegenüber eher „verdaulich“, wenn auch semantisch ungewiss und unvertraut.
Besondere Bedeutung kommt, namentlich in bezug auf das lyrische Werk, wohl den beiden letzten, nachrufartigen Rezensionen zu.

Reaktionen auf „Die Jahre hinab“

Kiepenheuer & Witsch zu „Die Jahre hinab“

Aus unscheinbaren Beobachtungen, aus kleinen Erlebnissen holt der Dichter ohne alle Sensation die Essenz unserer Zeit, deren Mischung er auf eine Weise darbietet, die keinen Vergleich in der deutschen Gegenwartsliteratur hat. Die unausgesprochenen Erfahrung von jedermann scheint bestürzend zusammengefaßt zu sein in Bild und Erfahrung des unbenannten Sonderlings …126

Brief Dr. Witsch an den Autor

Im uebrigen hoffen wir auf einen guten Anfangserfolg, eben mit ihrem ersten Buch. Aber machen Sie sich beizeiten gefasst auf drei Umstände: ein Teil der Kritik wird richtig reagieren, ein anderer Teil wird missverstehen; der Buchhandel wird nur widerwillig und das Publikum noch widerwilliger Kenntnis von Ihrem Buch nehmen, denn es enthaelt nichts von all den Froehlichkeiten, die Kritik, Buchhandel und Publikum so gern konsumieren. Aber trotzdem. Mit herzlichen Gruessen Ihr gez: Dr. Witsch127

Bericht von einer Autorenlesung (Hannoversche Presse)

Was Richter-Ruhland aus diesem seinem literarischen Erstling las, schloß sich zusammen zum Bilde eines Menschen, der aus Reih und Glied ausgetreten ist, um den schweren Weg nach Innen zu gehen, und der mit harter Gewissenhaftigkeit und genauem Wort Buch führt über die Stationen dieses Weges, die Proben, die er sich auferlegt, und die seltsamen Begegnungen und Erfahrungen, die ihn von außen und innen antreten. Die Aussage Richter-Ruhlands zielt nicht auf eleganten Schwung und glänzende Pointen, sie ist bewußt so einfach und selbstverständlich wie möglich, aber sie hat jene höhere Verbindlichkeit der Form und die Eintracht des Atoms, die Dichterwort von anderem Wort unterscheiden.128

Zeitungs-Rezension von R.I.

…sein literarischer Erstling, erstaunlich in seiner kargen und beherrschten Art, noch erstaunlicher im Hinblick auf den Gegenstand, dem alles Verführerische, Entgegenkommende und nach Effekt Haschende fehlt: Ein Bericht aus dem Leben eines unzeitgemäßen Sonderlings, der aber wiederum nur in unserer Zeit so möglich ist.Er treibt einen unheiligen Kult franziskanischer Armut, führt einen passiven Kampf gegen jede Arbeit, entzieht sich allen Bindungen … Seine literarische Existenz dokumentiert, was von dem Menschen unserer Zeit übrigbleibt, wenn er außerhalb der Hilfskonstruktionen der Arbeit und des Geldverdienens und der Gesellschaft sich befindet: eben „der Weg hinab“ …
Diesem Gehalt entspricht die sprachliche Form: sachlich, nüchtern, auch trocken und kalt, gelegentlich durchbrochen von skurrilen Einfällen oder gar visionären Durchblicken …
Es zeugt für die Bedeutung des Werkes, daß es solche Betrachtungen nicht nur zuläßt, sondern vom Leser geradezu fordert.
129

Franz Schonauer, Frankfurter Allgemeine Zeitung

War vor zwei Jahren vom Negativismus die Rede, fiel der Name Beckett; „Warten auf Godot“ und „Molloy“ … Man sollte das Stück und den Roman erneut lesen, nicht allein der Urteilskontrolle wegen, sondern mehr, weil jetzt von einem deutschen Autor ein Buch erschienen ist, das an den Roman des Iren erinnert: [Walter] Richter Ruhland, „Die Jahre hinab“ … vielleicht ist das Bedrückendste an ihnen [den Aufzeichnungen] die Simplizität, mit der ein Mann hier von seiner Hoffnungslosigkeit spricht, … von der Sinnlosigkeit seines Daseins, seinem Scheitern im Leben, im Beruf … Der Bericht ist zynisch, leer, kahl wie die Wände des Zimmers, in dem der Schreibende haust … Ein Mann Anfang 40 aber, der das Kartenspiel Leben hinwirft, weil er auf keinen „Stich“ mehr hofft und und auch nicht mehr hoffen will, … ist nicht romantisch, sondern beunruhigend, ein böser Hohn auf die betriebsame Tüchtigkeit der Zeit – schockierende Trümmerexistenz inmitten rapide wachsenden Wohlstands und restaurierter Bürgerlichkeit. Schließlich ist es ein Schlag gegen die ethischen Konventionen …Dieser Mann spielt nicht mehr mit, weil er daran zweifelt, daß Vierzigstundenwoche, Vollbeschäftigung, Lohnerhöhung und Sozialversicherung das Leben sinnvoll und lebenswert machen. Für ihn verlieren bestimmte gesellschaftliche Einrichtungen, wie Beruf, Ehe und Familie, keine ihrer Schwierigkeiten, sind nicht weniger fragwürdig, wenn sie sich materiell besser praktizieren lassen. Seine Argumente …räsonieren gegen den Strich. Was Richter-Ruhland zeigt, ist die Freiheit des Neinsagenkönnens, der Luxus des Beiseitestehens, des Negierens, ist die Lehre vom Individuum … [D]er Motor unserer Tüchtigkeit bezieht seine Energien aus der Leere; wir verdrängen das Gefühl des Unbehagens durch Arbeit und Erfolg. Gegen diese Kulisse aus Selbstzufriedenheit, Angst und Minderwertigkeit … das peinliche Bild unserer inneren Destruktion zu setzen, verdient allein des Mutes wegen Zustimmung und Förderung … Richter-Ruhlands Aufzeichnungen sind ein Dokument individueller Résistance, ob sie Folgen haben, muß vorerst bezweifelt werden, daß sie geschrieben wurden und erschienen (!), könnte jedoch ein Zeichen sein. 130

Karl Krolow, Hannoversche Presse

Erstlingsbuch eines Erzählers …, das unsere Aufmerksamkeit verdient … Einzelne Gedichte waren früher da und dort veröffentlicht worden. Nun stellt sich ein Prosa-Autor von bemerkenswerter Selbständigkeit und Eigenwilligkeit vor. – „Die Jahre hinab“ sind die Dokumentationen eines in unsere rastlose und ratlose Gegenwart verschlagenen Oblomow131 gewidmet, … Es sind Selbstdarstellungen eines Isolierten, Kontaktschwachen oder doch Kontaktgeschwächten, der sich auf eine kahle, „unterkühlte“ sprachliche Diktion zurückzieht, eine Prosa schreibt, die bis in den einzelnen Satz hinein jedes Blühen und Schwelgen eliminiert hat und sich nur noch Kargkeit gestattet. [Es] sind Zeugnisse … eines eigenwilligen Lebens … [im] Pathos der Untertreibung, der gleichsam rauhkehligen Mitteilung, die sich und die Welt nicht mehr wichtig nimmt und dabei doch den einzelnen auf hartnäckige Weise „vorführt“ … [In] diesem engen Rahmen wird ein hohes Maß an hartnäckiger Beobachtungskraft und nicht selten schonungsloser Konsequenz der Darstellungsmittel erreicht. Die Distanz, die über dem Buch liegt, hat etwas Irritierendes, zugleich Faszinierendes … die moderne Variante des zeitlosen Typus der Sonderlinge und Käuze …, der in unserer Literatur immer wieder aufgetaucht ist und seine Chance hatte.132

Rezensionen der Lyrik

Limes zu „Eine Reise, ein Tag, eine Rose“

Ein herber Grundton dominiert in den Gedichten Walter Richter-Ruhlands. Assoziationen haken sich ein zwischen die mit sensiblen Sinnen erfahrene Umwelt und das lyrische Ich. Seine Sprache, reich an neu geprägten Metaphern und kühnen Bildern, verwandelt die scheinbar bekannte Wirklichkeit. Der virtuos angewandte Zeilensprung erhöht die innere Spannung dieser lyrischen Stenogramme. Die kühle Schönheit seiner Naturgedichte ist Folge einer distanzierten Haltung, die „Die schöne Abendlandschaft“ nicht mehr arglos goutieren kann. – Zweifel schwingen mit in den ich-betonten Versen, denn die Erinnerung an unsichere Zeiten bleibt wach. Und beim Gedanken an die Zukunft artikuliert der Autor, stellvertretend für seine Zeitgenossen, eine „Befürchtung“: „Die Sonne, die morgen früh/aufgeht, / ist vielleicht / ein künstlicher Stern.“133

Karl Krolow, Stuttgarter Zeitung

In seiner Überschrift sieht Krolow den Autor „Zum Vergessen entschlossen“. [Walter Richter-Ruhland] gehört zu den Autoren von stiller Präsenz, über die man nicht diskutiert, aber mit denen man rechnet. … Die damaligen Gedichte [„Eine Reise, ein Tag, eine Rose“] waren noch stark assoziativ und bilderfreudig. Richter-Ruhland hat lange Natur- und Landschaftsgedichte einer in sich gekehrten, eigenwilligen Sensibilität geschrieben. … [Im neuesten Buch, „Meine Waffe Bleistiftstummel“] tauchen sie mehr am Rande und jedenfalls mit großer Diskretion auf. Aggressionen liegen dem zurückhaltenden, mehr und mehr sich lakonisierenden und zuweilen deutlich resignativen Richter-Ruhland nicht. Er ist auf unauffälligere Wirkungen aus. Aber er will immerhin bewirken, dass man eine bestimmte menschliche Situation und Position sieht, die heute die Position vieler ist, die das Schreiben nicht lassen können: intellektuelle Ratlosigkeit und Besorgnis, zugleich die wachsende Fähigkeit, derartige geistige Schutzlosigkeit im Gedicht zur Sprache zu bringen … Diese Gedichte voller Ohnmacht und voller Erinnerung eines nicht mehr jungen Autors kräftigen sich – wenn sie brüchig, gelegentlich auch ein wenig redselig zu werden beginnen – an der ihnen innewohnenden Sinnlichkeit der Anschauung, an eben demjenigen, das Richter-Ruhland zu seinen sehr intensiven Bildern befähigt. … Das Bekümmerte und gelegentlich Gereizte der poetischen Mitteilung entspricht solchem Zustand, einer unsicheren, aufgestörten Verfassung …134

Peter Jokostra, Die Welt

Der Autor besitzt die selten gewordene Eigenschaft, abwarten zu können. … Das lange Schweigen, das seiner selbstkritischen Haltung entspricht, ist bei diesem Autor keineswegs ein Zeichen von Ohnmacht oder unfruchtbarer Vergrämung, es hat im Gegenteil zu den ausgewogenen Gedichten dieser Sammlung geführt.
Die Konzeption des Autors wird mit jeder Zeile deutlich: bei Aussperrung aller schmückenden Beiwörter die äußerste Präzision der bildhaften Aussage zu erreichen, ohne dabei seine Sprache einem Ausdörrungsprozeß ausliefern zu müssen. Sprödigkeit, Herbheit, Verhaltenheit – ja, aber keine ‚märkische Sandwüste‘, kein ‚verstepptes Manöverfeld‘, so sehr das Understatement auch zum Experiment verlockt. … Richter-Ruhland beharrt nicht auf der Idylle, eher auf ihrer Aufhebung; … So entstehen Gebilde von fast schwebender Leichtigkeit, wie das große „Dir gegenüber“, eines der liebenswertesten Gedichte, das in diesen Jahren zu lesen war. …
Der Titel des Bandes endlich: ein Kuriosum, das vergleichende Assoziationen von Gertrude Stein bis Hilde Domin auslöst. Doch das zählt gering bei einem Dichter, der die Fixpunkte seiner Zäsuren mit Sicherheit setzt: „Verdun, Coventry, Stalingrad, Berlin, Hiroshima, Dien-Bien-Phu – Die Leiber zerfetzt und zerrissen noch immer.“
135

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Walter Richter Ruhland ist eine Art moderner lyrischer Reporter. Skeptische Betrachtungen der Gegenwart auf dem Hintergrund des mit Melancholie nachempfundenen Werdens und Vergehens. Geröll liegt im Gefälle der lyrischen Melodie, aber Formulierungen bannen, Bilder bleiben haften. Einer, der seine Individualität durch den Zeitton nicht auslöschen hat lassen. 136

Basler Nachrichten

Walter Richter-Ruhland … betrachtet sein Material aus der Ferne. Seine Zeilen sind verkürzt, sachlich, Miniaturen mit unterkühltem Gehalt und verdeckten Spalten. Die Zeit tickt als Ostinato, die Ereignisse reihen sich scheinbar unauffällig in Folge und Wiederkehr. Die Fragen ruhen und werden selten angerührt; aber der Leser fühlt ihr Vorhandensein in den sparsamen Tupfen, in den Pausen und namentlich in den Crescendi einer reich registrierten Sprache.137

Gesamtwerk, posthum

Wiesbadener Kurier (AH)

Die „Aufzeichnungen eines Sonderlings“, so der Untertitel seines Romans „Die Jahre hinab“ ließen aufhorchen – jedenfalls vor 20 Jahren! … Fiel seine Prosa der Vergessenheit anheim, so darf sich das nicht wiederholen bei seiner Lyrik…Sie will als Zusammenfassung dessen erscheinen, worum es dem Autor … zeitlebens ging, ‚einem Menschen, der nicht mitmacht‘, einem skeptischen, sensiblen Lyriker, einzelgängerisch in seiner Art, gezeichnet von leiser Bitterkeit, Melancholie, Resignation; und doch schimmert immer wieder Hoffnung durch. Das Leiden an der Zeit, an sich, an den andern – diese Thematik, die spezifisch ist für ihn, kommt in seinem Vermächtnis, als das man diese letzten Gedichte [in Zeitspindel] verstehen möchte, zu vollgültigem Ausdruck. … „Die Dinge des Lebens und Sterbens“ sind in der „Zeitspindel“ so eng beieinander wie nie. 138

Ilse Tielsch Felzmann, Podium 20

Die Gedichte, in der Wortwahl auf Wesentlichstes reduziert, spiegeln ein Leben, das alle nur mögliche Erfahrung aufweist. … Der Autor: sensibel und wachsam zugleich, veröffentlichte seine ersten Gedichte als Gymnasiast in einer sorbischen Kleinstadt, in namhaften Anthologien. Er blieb zeitlebens ein Einzelgänger, der es nicht nötig hatte, modisch zu sein. Was er schrieb, hat seinen eigenen, unverwechselbaren Ton. Was aufzuzeigen, zu registrieren, zu bewahren ist, sagt er auf sehr persönliche, oft verhaltene Weise. … Knappe, präzise, eigenwillige Formulierungen. Sparsamkeit im Ausdruck. Nichts Überflüssiges ist in diesen Gedichten, trotzdem wirken sie nicht trocken, sondern rühren an, gehen unter die Haut. Das liegt wohl vor allem an der Aufrichtigkeit des Autors. Keine Verlogenheit, einer schöneren Wendung willen, kein gesuchtes, erkünsteltes Wort. Spröde Ehrlichkeit, Trauer manchmal, kein Spielen mit mit modischer Resignation. „Bettler ich, / Freiheit / am Hut, / auf einem Sandkorn / Europas daheim.“ Kürzer, aber wohl auch eindringlicher, läßt es sich nicht sagen. „Er gehört zu den Autoren stiller Präsenz, über die man nicht diskutiert, aber mit denen man rechnet“, schrieb die Stuttgarter Zeitung. Wer mit fast fünfundsechzig Jahren stirbt, ehe er den ersehnten neuen Lebensabschnitt als freier Schriftsteller beginnen konnte, stirbt einen frühen Tod. Wie aber sagt er selbst – „Bruchstücke. Den Atem/ anhalten, wenn / hinter der letzten / Zeile die ungeschriebenen / Worte aufblühn –“…139

Liste der Veröffentlichungen

Anthologien und Almanache

Prosa

Erscheinungsjahr / in (Titel)/ Hrsg/ Verlag / Seiten /Werktitel

1956 Jahresring 57/58, Hrsg: Kulturkreis im Bundesverband der deutschen Industrie, Verlag: DVA, Seiten 257-260 Titel: Die Katze

1965 Tuchfühlung, Peter Jokostra, Hoffmann & Campe, S. 56-65: Schulze, EK & Co

1969 Ehebruch und Nächstenliebe, Jokostra, Claassen, S. 253-258: Wer ist Kaldenbach?

1972 … und alle Kreatur, Siegfried Scharfe, Evangelische Verlagsanstalt Berlin, Seiten190-193: Die Katze (=Wiederveröffentlichung bei EVA „Nur zum Vertrieb in der DDR und im sozialistischen Ausland“ (2. Auflage 1973)

1974 Liebe. 33 Erzähler von heute, Jokostra, Herbig Verlag, S. 9-16: Zilly und andere

Gedichte

1930 Junge deutsche Dichtung, hrsg. von Kurt Virneburg und Helmut Hurst, Eigenbrödler Verlag, Berlin und Zürich, S. 354 f.: Tod des Bettlers / Vagabund / Der Neger / Der fremde Mensch spricht / Reise / Nachtstadt

1931 Am Mikrophon der Zeit, Selbstverlag junger Autoren im Joachim Goldstein-Verlag, S 35f: Reise / Der fremde Mensch spricht / Reife [entstanden 1927 unter dem Titel „Lied“]

o.J. 2 Gedichtband-Typoskripte bei LHA Potsdam, Rep. 55: „Hammer und Pflug. Eine Kantate der Arbeit“ und „Der Mensch lebt. Gedichte“ [angeführt in Musen und Grazien in der Mark: Ein historisches Schriftstellerlexikon, hrsg. von Peter Walther, Lukas-Verlag 2002, S. 272] darin oder anderswo enthalten der Gedichtzyklus Sturm und Gesetz, o.J. (geschr. 1936)

o.J [1948 oder 1949]140 Gedanke und Form Nr 1, Deutscher Schriftsteller-Verband e.V., S. 9: Die Tänzerin / Alles ruht

1954 Deutsche Gedichte der Gegenwart, Georg Abt, Bertelsmann Verlag, S. 246f: Bin ichs schon? / Geist der Wüste

1956 Das Gedicht, 3. Folge, 1956/1957, Christian Wegner Verlag, S. 32-40: Alte Dorfschenke / Zeit / Geist der Wüste / Ruft keiner mir zu / Wenn wieder die Würgengel schrein / Alles, was schwer war an dir / O schlage das Kreuz der Gebete / Heimkehr / Es ist eine Stunde/ Noch immer

1959 Expeditionen. Deutsche Lyrik seit 1945, Wolfgang Weyrauch, List-Verlag, S. 31: Zu deuten nichts

1960 alternative 3.Jg Nr.12, Reimar Lenz/Richard Salis, Skriver Verlag, S. 41: Baustelle [in „Eine Reise …“ unter dem Titel „Neubau“]

1961 Lyrik aus dieser Zeit, 1/1961, Leonhard/Schwedhelm, Bechtle Verlag, S. 85: Lang wirst du wachen

1962 Lyrik aus dieser Zeit, 2/1963/1964, Leonhard/Schwedhelm, Bechtle S. 28f: Landschaften I-III

1964 Keine Zeit für Liebe? Jokostra, Limes Verlag, S. 43+181: Stille / Treppen bist du hinabgegangen [1956 unter dem Titel „Alles was schwer war an dir“, in Das Gedicht]

1965 Lyrik aus dieser Zeit, 3/1965/1966 Weyrauch/Poethen, Bechtle, S. 13 Einverständnis

1967 Lyrik aus dieser Zeit, 4/1967/1968 Weyrauch/Poethen/ Bechtle S. 30: Grauwacke

1972 Dimension Vol. V, No 1, Willson/ University of Texas at Austin, Dep. of German Languages: Wearisome Proceedings /Langwierige Prozesse, Auswahl von 7 zuvor 1971 in Meine Waffe Bleistiftstummel veröffentlichten Gedichten, deutsch mit Übersetzung ins amerikanische Englisch von David Gill
– dito als Extra-Heft ausgekoppelt

1974 Dimension Vol. VII, No 1, Willson/ University of Texas at Austin, Dep. of German Languages: Plus Minus Null, Auswahl von 3 zuvor unveröffentlichten Gedichten, deutsch mit Übersetzung von Antonette Hill: Ein Wort ist das erste / Die absolute Tragik aber / Plus Minus Null
– dito als Extra-Heft ausgekoppelt

ohne Veröffentlichung oder Beleg:

Veröffentlichung erster Gedichte in der Sekunda [also Ende der 1920er] „in einer überregionalen Anthologie“ [so Peter Jokostra, Nachwort zu „Zeitspindel“ (siehe dort), S. 61]

oJ, kursierend im Internet: Märzlied (vertont), laut DNB bei Kistner & Siegel, mit 1944 datiert / Und wenn man uns in Fesseln zwang (vertont), Voggenreiter-Verlag

vorliegende Typoskripte weiterer Gedichte:

Vorkrieg/ Krieg: Ich der Baum (1935) / Sturm und Gesetz (Zyklus), VII (1936) / Der Sterbende (1943) / Die Gefallenen (1943) / Die Toten (1944)

Nachkrieg: mehrere Einzelgedichte (u.a. ein Heft mit Manuskripten). Sammlungen: Carmina Vitae, o.D. (36 Gedichte, z.T. aus der Zeit der Kriegsgefangenschaft) / Statt eines Briefes, o.D. (ca. 1960er) (11 z.T. unveröffentlichte Gedichte) / Tréboles141, 1971 (40 Dreizeiler)

Bewerbung um den Heine-Taler (vermutlich/ab 1966, Lyrik-Preis gestiftet von Hoffman& Campe) mit dem Titel „Der Tag und der Tag nach dem Tag“, 82 Gedichte

Zusammenstellung für Radio Bremen, 8. Mai 1968, u.a. aus der Reihe Nachrichten aus dem Exil

Buchveröffentlichungen

Prosa

Die Jahre hinab. Aufzeichnungen eines Sonderlings, Kiepenheuer & Witsch, 1956

Gedichte

Eine Reise, ein Tag, eine Rose, Limes 1968 [56 Gedichte]

Meine Waffe Bleistiftstummel, Limes 1971 [46 Gedichte]

In erster Person Einzahl, Delp Verlag 1974 [54 Gedichte]

Kalliste. Eine lyrische Dokumentation, Bläschke Verlag 1974 [33 Gedichte]

Zeitspindel, Limes 1975 [31 Gedichte]

Übersetzungen

aus dem Russischen zusammen mit Ottomar Schwechheimer, erschienen, wenn nicht anders angegeben, in der Reihe Goldmanns Gelbe Taschenbücher [Transliteration der Autoren-Namen gem. den Originaltiteln; in Reihenfolge ihrer Veröffentlichung, im Zweifel gem. der Nummerierung der Bände]

1958 Anton Tschechow [1860-1904], Meine Frau, Erzählung, Insel-Verlag 1958 (Transliteration auch: Anton Pavlovič Čechov)

1959 Mamin-Sibirjak, [1852-1912], Geschichten aus dem Ural

1959 Maxim Gorki [1868-1936], Erzählungen

1959 Michail Soschtschenko [1895-1958], Der Flieder blüht und andere Erzählungen. (Transliteration auch: Zoščenko, Michail Michajlovič)

1959 Anton Tschechow [1860-1904], Der Mensch im Futteral, und andere Erzählungen

1959 Alexander Puschkin [1799-1837], Erzählungen

1960, Iwan Bunin [1870-1953], Ein Herr aus San Franzisko , Erzählungen, (mit Einleitung von Richter-Ruhland)

1961 Jurij Olescha [1899-1960], Die drei Dicken, enthaltend den Roman mit selbem Titel (Ersterscheinung 1928) sowie fünf weitere Erzählungen: Menschenmaterial, Die Kette, Liompa, Der Kirschkern, Liebe (Ersterscheinung 1929)142 (mit Einleitung von Richter-Ruhland)

1962 Maxim Gorki, Auch sie waren Menschen, Erzählungen

oJ 143 Anton Tschechow, Der Mord, Erzählungen

1964 Michail Soschtschenko, Was die Nachtigall sang, Satiren, Reclam-Verlag

1966 Michail A. Scholochow [1905-1984], Geschichten vom Don, Erzählungen [gebunden bei Goldmann; Taschenbuch oJ. (1968)], (mit Nachwort von Richter-Ruhland)

oJ, [1967] Iwan Turgenew [1818-1883], Erste Liebe, Erzählungen

oJ. [1968] Maxim Gorki, Die Feuersbrunst, Erzählungen

Anmerkungen, Erläuterungen, Verweise

  1. Der Verfasser des vorliegenden Artikels ist ein Neffe des Schriftstellers, dennoch an einer vergoldeten Familienlegende nicht interessiert. Walter Richter-Ruhland ist kein „unumgänglicher Vertreter“ von irgend etwas, etwa eines zu definierenden „deutschen Nachkriegs-Existenzialismus“, aber zum Vergessen dann doch zu schade, auch wenn sich seine Verse als dekorative Kopfkissen- oder Trinksprüche eher nicht eignen. Man kann ihn nehmen als einen sehr eigenen, unbestechlichen literarischen Zeugen einer augenscheinlich noch immer nicht abgeschlossenen Zeit. Aussagen im folgenden über private Äußerungen und Umstände des Schriftstellers nimmt der Verfasser auf seine Kappe, wo sie nicht anders belegbar sind. Gleiches gilt für die unvermeidlich subjektive Interpretation der literarischen Texte. Nachtrag: Wie angekündigt, gibt es mittlerweile (seit Mai 2024) auch ein „objektives“ Derivat des vorliegenden Themas bei Wikipedia, den dortigen Anforderungen entsprechend beschränkt auf ein Gerippe der Fakten. Allerdings hat man bei Wikipedia auf die endgültige oder weiterverarbeitete Fassung des Textes samt (in diesem Fall z.T. leider ungenauen) Quellenangaben bekanntlich nur begrenzt Einfluss.
  2. Und ich sah, in: In erster Person Einzahl, S. 43 [vollständige Literaturangaben im Anhang/ Abschnitt 4]
  3. zuerst veröffentlicht in Lyrik aus dieser Zeit 1967/68, dann auch in Reise/Tag/Rose S. 40. Holundermark war/ist dort tatsächlich ein Nahrungsmittel einfacher Leute und hatte regional aus vorchristlicher Zeit symbolische Bedeutung im Totenkult. (Allgemein lohnt es sich bei Walter Richter-Ruhland oft, seinen sparsamen Bildern und Allegorien in Suchmaschinen nachzugehen.)
  4. Zitat und Info von Peter Jokostra, Nachwort in Zeitspindel, S. 61. Darauf beziehen sich dann auch mehrere Rezensenten. Die genannten Erstveröffentlichungen sind zumindest öffentlich nicht mehr zugänglich. Musen und Grazien (S. 256) verweist, allerdings mit falschen biografischen Daten, bezüglich Jugendschriften auf das Archiv der LHA Potsdam, Rep. 55. Das erste zugängliche Gedicht des Autors stammt von 1927, siehe unten, im Abschnitt „Jugendwerke“.
  5. So die von ihm bestätigten Erzählungen aus seinem Umfeld, auch literarisch verarbeitet in einer hektografierten Weihnachtszeitung o.D., vermutlich aus der Kriegsgefangenschaft.
  6. Der „Freiwillige Arbeitsdienst (FAD)“ wurde bereits 1931 auf Betreiben konservativer Parteien eingerichtet, um insbesondere jugendliche Arbeitslose „von der Straße zu bringen“, und 1935 in den obligatorischen Reichsarbeitsdienst (RAD) umgewandelt. Dieser war für männliche Jugendliche verpflichtend, für weibliche weiterhin „freiwillig“, aber insbesondere bei Arbeitslosigkeit stark angeraten. Die Probleme des Staates bei der Pflicht-Ausweitung auf alle Jugendlichen beiderlei Geschlechts waren dabei eher Mängel an Unterbringung und Logistik.
  7. Alle Daten zum Lebenslauf sind enthalten in der Verlagsankündigung von Kiepenheuer & Witsch zu seiner Romanerzählung Die Jahre hinab, 1956 (Typoskript), ergänzt durch übereinstimmende Angaben in Anhängen zu seinen verschiedenen Veröffentlichungen, ergänzt durch das genannte Nachwort von Jokostra in Zeitspindel. In den genauen Jahreszahlen und Tätigkeiten sind sie z.T. spezifiziert aufgrund einer in 03/2024 im Nachlass seiner Verwandtschaft gefundenen handschriftlichen Skizze eines Lebenslaufs aus den 1950ern, die in den Grunddaten mit den anderen Angaben übereinstimmt. Anders lautende Infos entstammen dem erwähnten Eintrag in Musen und Grazien; wohl mangels anderer Quellen im Internet beruhen darauf auch weitere, z.B. die Angaben im Literaturport Berlin-Brandenburg. Demnach soll Richter-Ruhland bis 1945 in Spremberg als Justiz-/Verwaltungsangestellter beschäftigt gewesen sein. Diese Info ist unzutreffend, schon weil sie den (in Papierform und Fotos nachweislichen) Aufenthalt in Frankreich, FAD und den Kriegsdienst ab 1939 sowie die Kriegsgefangenschaft 1944-1948 ignoriert. Vermutlich kam es bei dieser Quelle zu einer Verwechselung von Vorkriegs- und Nachkriegs-Tätigkeit oder zu einer Verallgemeinerung der ersten Tätigkeit in Deutschland nach der Arbeitslosigkeit. Auch das dem dortigen Eintrag beigeordnete Foto zeigt nicht Walter Richter-Ruhland, sondern seinen Schulkameraden Peter Jokostra (mit Kinnbart) und ist so im Netz fälschlich unter seinem Namen verbreitet. Da wünscht man sich doch insgesamt ein wenig mehr Sorgfalt bei den Betreibern.
  8. Dass die Meldung freiwillig war, ist von ihm und anderen in seinem Umfeld unbestritten bestätigt. Dabei rechnete er wohl eher nicht damit, den Krieg zu überleben, sondern wenigstens „mit Anstand zu sterben“ [so die Formulierung in „Die Jahre hinab“ und öfter]. Literatur- und sozialgeschichtlich vermuten viele eine Todessehnsucht als verbreitetes Motiv einer spezifisch deutschen Ausprägung der Romantik im Kontext entsagender Liebe oder gar übergreifend als Motiv des deutschen Militarismus (Reemtsma)
  9. Wir führen sie hier auf, weil sie, über Individuelles hinaus, Bedeutung für in jener Zeit verbreitete Verhaltensdispositionen haben könnten. Die verschiedenen Gründe (wohl besser: Motive) wurden später von verschiedenen Personen in seinem Familienkreis ohne Kongruenz als situativ fast selbsterklärend kolportiert.
  10. Die Tatsache selbst steht als solche fast außer Zweifel. Eine längere Passage in „Die Jahre hinab“ über die Eskalation eines Ehekonflikts [dort S. 99-110] lässt sich vor diesem Hintergrund als stark einseitig-autobiografisch verstehen. Inwieweit die dortige Schilderung der Realität und gar beiden Seiten gleichermaßen gerecht wird, ist allerdings zumindest zu bezweifeln.
  11. Auch diesbezüglich finden sich in „Die Jahre hinab“ illustrative, wenn auch vergleichsweise verharmlosende Passagen, die auf Überwindung statt Unterwerfung hinauslaufen. [dort SS. 75f, 77-80] Für eine eher unterangepasste Haltung spricht auch, dass Richter-Ruhland, trotz „Gymnasialbildung“, nie über den Rang eines Obergefreiten hinausgekommen ist. [Jokostra, a.a.O.] Die Möglichkeit, von Vorgesetzten beim Militär „kaputtgemacht“ zu werden, war im übrigen später privatim sein Hauptargument für den Rat zur Kriegsdienstverweigerung.
  12. Wie es jedenfalls in einem seiner kolportierten Jugendgedichte zuvor, analog zu Gottfried Benn, peinlich aufblinkt.
  13. So lässt er sein literarisches Ich in „Die Jahre hinab“ [S. 130f] räsonieren, als er seinen Irrtum erkennt. Denn „Übriggeblieben davon ist freilich nichts, nichts als ein Häufchen Dreck …“ [ebenda].
  14. [Info über die Stationierung von Jokostra, Nachwort, a.a.O.] Sarkastisch könnte man also von einem zweiten Frankreich-Aufenthalt sprechen: das erste Mal als Kultursuchender einschließlich romantischer Liebe, das zweite Mal als Besatzungs-Soldat und Kanonenfutter für proklamierten Endsieg-Heroismus zugleich. [Informationen über Brest im DLF-Artikel.]
  15. Das wird in der Literatur nicht erwähnt, kann aber aufgrund übereinstimmender Aussagen in beiden Strängen der angehörigen Familien als gesichert angesehen werden. Möglich, dass Richter-Ruhland dies in seiner literarischen Verarbeitung in „Die Jahre hinab“ nicht aufgenommen hat (dort stirbt die Frau des Ich-Erzählers bei einem Bombenangriff), um einem aus der Nazi-Ideologie fortgesetzten, wohlfeilen Russen-Hass in Ablenkung von der eigenen Schuld nicht Vorschub zu leisten. Vielleicht wollte er auch einfach nicht die thematische Gewichtung seiner Erzählung durch allzu spezifisch Biografisches verschieben.
  16. [zuerst in: „Das Gedicht“ von 1956]. Zuvor heißt es dort allegorisch : „Treppen bist du hinabgegangen, / unwiderruflich, / allein, / bis an die äußerste Stufe, die abfällt / wie der Schrei eines Raubvogels, / wo das nicht mehr Gangbare / gilt.“
  17. „1948“ in „In erster Person Einzahl“, S. 44
  18. Privatbrief vom 21.04.1948, dem Tag seines Arbeitsantritts in Stöcken/Hannover
  19. BEG und BEG-SG. Das Amt wurde Informell als „Wiedergutmachungsbehörde“ bezeichnet. Hier ein Überblick über die Entschädigungspolitik/ Wiedergutmachungspolitik (die Begriffe sind zu Recht umstritten und beinhalten zudem zwei Rechtskreise). Auch in der materiellen Gewichtung ist die Entschädigungspolitik als problematisch anzusehen. So betrug die Haftentschädigung für KZ-Haft gerade einmal 5 DM pro Tag, während Gesundheits- und Berufsschäden schwerer wogen. Insgesamt erhielten etwa 650.000 Verfolgte Einmalzahlungen, etwa 360.000 eine monatliche Rente. Antragsschluss war das Jahr 1969. Diese und weitere Informationen in der taz.
  20. In der Kurzerzählung „Wer ist Kaldenbach?“, siehe unten
  21. so Jokostra, a.a.O., S 60, von anderen Rezensenten dann aufgegriffen.
  22. Leicht wie ein Schatten, in Reise/Tag/Rose, S. 12
  23. In erster Person Einzahl in gleichnamigem Gedichtband, S. 8
  24. S. 28-43; Er erfährt, dass er derlei Belastung nicht mehr oder weiterhin nicht mehr aushält. Ist er wegen seiner extremen Selbsterprobung verrückt, gehört in die „Anstalt“? Nein, sagt der Arzt, „einen Tick haben wir doch alle“.
  25. Die einzige dem Verfasser dieses Artikels bekannte Kriegsschilderung (neben allgemeinen Bemerkungen über die erstaunliche Strapazierfähigkeit des Menschen im Kriegsalltag) erzählt vom Moment des Absprungs aus dem Flugzeug: Oben im Rumpf verlief ein Stahlseil, in das die Fallschirmjäger ihre Reißleine einklinkten, die dann nach dem Absprung, bei Erreichen der vorbestimmten Höhe, automatisch das Öffnen des Schirms auslöste, so dass am Ende die Hüllen wie leere Rucksäcke an Bändern aus dem Flugzeug baumelten. In Warteschlange aufgestellt, mussten die Soldaten einer nach dem anderen aus der Bodenluke springen, zügig, schon um unten einigermaßen zusammen anzukommen. Dort wartete meist feindlicher Beschuss. Nicht selten klammerte sich ein Fallschirmspringer in letzter Sekunde panisch am Lukenrand fest. Seine Kameraden zertraten ihm dann mit ihren beschlagenen Stiefelabsätzen so lange blutig die Finger, bis er dann doch losließ.
  26. S. 99-110. Siehe dazu oben im biografischen Abschnitt Krieg. Auch der stilistische Bruch in dieser vergleichsweise langen Passage, weg von der lakonischen Distanzierung zu fast eindringlicher Rechtfertigung, könnte auf persönliche Involviertheit hinweisen.
  27. S. 115; der Begriff „Trauma“ stammt vom Verfasser des Beitrags; bei Walter Richter-Ruhland gibt es allenthalben präzise und differenzierte innere Zustands-Beschreibungen, aber keinerlei Neigung zu Psychologismen.
  28. So die Beschreibung im Klappentext des Buches
  29. Tröstlich bleiben dem forschend bekennenden Atheisten die Bibelverse „Ein jegliches hat seine Zeit“ [Prediger 3, 1-8], die er wie ein Gedicht in voller Länge zitiert [S.98f]. Aber auch die Zeit erweist sich als relativ, weil man sie nicht „hat“, nicht besitzt, sondern sie einem jeden entrinnt. [S. 144f]
  30. [in Tuchfühlung. Neue deutsche Prosa, hrsg. von Peter Jokostra, Hoffmann und Campe 1965]
  31. Der dürfte jedenfalls vermutlich mit dem Kürzel „PvH“ gemeint sein. Paul von Hindenburg, „überparteilich“ im konservativen Lager geachtete Respektsperson und Reichspräsident, ernannte mangels eindeutiger Mehrheiten seit 1930 mittels „Notverordnungen“ fünf Reichskanzler und beauftragte sie, ebenfalls unter Umgehung des Parlaments, mit der Regierungsbildung (so genannte Präsidialkabinette). Am 30.01.1933 ernannte er schließlich Hitler zum Reichskanzler, der dann schrittweise die wesentlichen Elemente der Demokratie gänzlich abschaffte.
  32. Um die Edelprostituierte Nitribitt und ihre Ermordung rankten sich unendlich viele Spekulationen und Narrative. Ihr Aufstieg und vermutliche Kontakte in die Welt von Macht und Reichtum machten sie zum geeigneten Projektions-Objekt der bundesrepublikanischen Doppelmoral zwischen Verdammung von Tugendlosigkeit und neidischer Gier.
  33. eine zeitgenössische Anspielung auf die auch von den Nazis rassistisch hochgehaltene Verklärung „Volk der Dichter und Denker“
  34. Dieser Schwur, namentlich des späteren Verteidigungsministers F.J. Strauß, wurde zur Zeit der „Wiederbewaffnung“ Deutschlands erbittert kolportiert.
  35. Anspielung auf den Wohnsitz des damaligen Bundeskanzlers Adenauer, der, zunächst geheim im „Amt Blank“, die „Wiederbewaffnung“ als Teil der Eingliederung der BRD in die Nato betrieb und in seiner Freizeit Rosen züchtete
  36. in: Ehebruch und Nächstenliebe, hrsg. von Peter Jokostra, Claassen 1969
  37. in: Liebe. 33 Erzähler von heute, hrsg. von P. Jokostra, Herbig 1974. Die hier wiedergegebenen Anthologie-Titel des Herausgebers (namentlich „Liebe“ sowie „Ehebruch und Nächstenliebe“) stehen auf einem anderen Blatt. Insgesamt haben sie mit den Inhalten der Bücher wenig zu tun, und auch nicht mit der generellen thematischen Blickrichtung von Richter-Ruhland. Vielmehr kann man diese Titel verstehen als einen verkaufsorientierten Tribut an die damals allenthalben verbreitete Welle, die sich im Kielwasser der Jugendrevolte wohlfeil als moralische und sexuelle Lockerung gerierte und die durch Richter-Ruhlands Text in diesem Band womöglich indirekt kritisch hinterleuchtet wird.
  38. So der Titel eines damaligen Bestsellers des Psychologen-Ehepaares Alexander und Margarete Mitscherlich, R. Piper & Co, 1./1967, mit dem Untertitel Grundlagen kollektiven Verhaltens. Es versucht, die Unfähigkeit zur Auseinandersetzung mit der faschistischen Vergangenheit, einschließlich der Bindung an den „Führer“ bzw. an politische Autoritäten, psychoanalytisch zu erklären. Das Buch löste heftige gesellschaftliche Debatten aus, einerseits über die im Faschismus verfemte Psychoanalyse, andererseits über die Ursachen des Faschismus.
  39. Im übrigen war der Autor realiter seit Jahrzehnten augenscheinlich relativ glücklich verheiratet.
  40. Zuerst in: Jahresring 57/58. Ein Querschnitt durch die deutsche Literatur und Kunst der Gegenwart, hrsg. vom Kulturkreis im Bundesverband der Deutschen Industrie, Deutsche Verlags-Anstalt 1957.
  41. z.B. Liquidieren die Worte in Bleistiftstummel, S. 66-70: „ich weiß / ich rede / zu oft, rede zuviel / von Großvater (Großvater, Großvater), / aber das hat / seinen Grund …“ auch in Angst, ebenda, S. 25; in Und die Stille schwillt an, ebenda, S. 64; Tote wie Schaufensterpuppen, ebenda, S. 71; Noch einmal und wieder, ebenda, S. 74. Und kurz vor dem Tod des Autors heißt es: „Großvaters goldenes / Sterbejahr. Meine / gestundete/ Zeit.“ [Hinter Lipsa in: Zeitspindel, S. 41]
  42. Zur Erinnerung: Nicht nur zur Zeit der Erzählung, sondern auch zur Zeit ihrer Veröffentlichung war Weinen bei Jungen ein zumindest mit Spott sanktioniertes No-Go, seine Schilderung ein fast bekenntnishafter Tabubruch.
  43. siehe Anm. 128
  44. in: Siegfried Scharfe (Hrsg.), … und alle Kreatur, Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1972 (2./1973), „Nur zum Vertrieb in der DDR und im sozialistischen Ausland“, wie es dort im Impressum heißt. Die Evangelische Verlagsanstalt GmbH Berlin bot in der DDR nicht nur kirchlichen, sondern auch so manchen weltlich-kritischen, auch „westlichen“ Texten eine Plattform für ihre Verbreitung in der DDR. So auch in diesem, ästhetisch und inhaltlich anspruchsvollen Band: Er beruft sich mehrfach auf den eckig-streitbaren Theologen Karl Barth (so explizit im Vorwort und S. 133), Begründer der Bekennenden Kirche und radikaldemokratischer Sozialist. Unter vielen nicht der kulturpolitischen Norm des „Sozialistischen Realismus“ entsprechenden Autoren und Texten ist neben dem nachhaltig aus der DDR hinausschikanierten Lyriker Peter Huchel,[S. 196] auch der damals sehr bekannte und gewichtige DDR-Dissident Reiner Kunze vertreten. Sein Gedicht [S. 106f.] nimmt eben diese Norm ironisch hintersinnig aufs Korn; mit seinen apokryphen Andeutungen, getarnt als abstruser Streitgesang der Vögel, unterflog es gewitzigt das Radar der Zensur. Insgesamt enthält der Band nicht nur biblische und kirchliche Texte zum Thema, sondern auch literarische Texte aus Vergangenheit und Gegenwart, vereint unter dem Aspekt „Respekt vor den Tieren“, was indirekt dem eher instrumentellen Verhältnis zur Natur im Realen Sozialismus zuwider lief.
  45. So die öfter kolportierte summarische Angabe von Jokostra im Nachwort zu Zeitspindel, S. 61
  46. mit weiteren Gedichten des Autors aus dieser Zeit enthalten in Am Mikrophon der Zeit, Goldstein 1931, später auch in Reise/Tag/Rose, Limes 1968. Die Datierung 1927 entstammt einem privaten Typoskript.
  47. Junge deutsche Dichtung. Anthologie, hrsg. von Kurt Virneburg und Helmut Hurst, Eigenbrödler Verlag, Berlin und Zürich, 1930.
    Darin sind von Richter-Ruhland veröffentlicht: Tod des Bettlers („Er nahm sein morgendliches Butterbrot und ging…“); Vagabund („Ich strolche über den Novemberhimmel …“); Der Neger („Six Pence und eine kalte Suppe ist sein Tageslohn…“); Der fremde Mensch spricht („Die Tage werden kühl und leise …“); Reise („Zerfall der Nacht, Aufstieg und Untergang …“); Nachtstadt („Lichtgesang der Strassen, Plätze, Promenaden …) – Großen Dank an Ralf Gnosa für diese Auflistung aus jener mittlerweile nur noch schwer erhältlichen Sammlung.
    [Eine Aufführung des Namens Walter Richer-Ruhland in dieser Anthologie findet sich auch deren wikipedia-Eintrag, gelistet in Liste der verbannten Bücher vom 06.06.2013, Veröffentlichende Stelle: BerlinOnline Stadtportal GmbH & Co. KG.]
  48. Der fremde Mensch spricht, zuerst in Junge deutsche Dichtung, 1930, s.o., dann auch in Am Mikrophon der Zeit, 1931, s.o.
  49. Drei Titel erhalten in privaten Typoskripten
  50. erwähnt in Musen und Grazien, exemplarisch mit Nr. VII in einem privatem Typoskript enthalten, datiert mit 1936
  51. Beide kann man nach Stil und Inhalt jener unsäglichen Sammlung „Sturm und Gesetz“ von 1936 zuordnen. Ohne Entstehungs-Datum oder sonstige Kontext-Angaben, konnte man sie sich von einer Internet-Adresse in den USA „auf Anforderung“ zumailen lassen, in einem Fall unter Missachtung des aufgedruckten Eigentums-Titels des Voggenreiter-Verlags.
  52. Der betreffende Text ist bei der Deutschen Nationalbibliothek unter „Märzlied“ gelistet. Ähnliche Banalitäten produzieren heutzutage unsere KI-Chatbots, wenn man sie zum Dichten auffordert.
  53. Von einem anderen Zeitzeugen, damals HJ-Führer, wurde dem Verfasser z.B. berichtet: Auf den Straßen sang die Hitlerjugend (HJ) Anfang der 1930er „Es zittern die Morschen Knochen der Welt vor dem großen Krieg“[sic] usw. Es endete nach dieser Erinnerung mit „Denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“. Da diese Zeile selbst im Faschismus anfangs noch umstritten gewesen sei, sang man einfach „… und morgen, das dürfen wir nicht singen.“ Alle fanden das lustig-listig, noch Jahrzehnte nach dem Ende von Nazi-Diktatur und Weltkrieg, und alle wussten, was gemeint war.
  54. Walter Richter-Ruhland schätzte insbesondere dessen expressionistische Lyrik, aber auch seine späteren Werke in baldiger Abkehr von Krieg und Faschismus. Die Wertschätzung bezog sich auch auf dessen theoretische Schriften wie „Probleme der Lyrik“ von 1951. Gottfried Benn hatte 1933 zur Unterstützung des Nationalsozialismus aufgerufen und eine entsprechende Säuberung der Sektion der Dichtkunst in der preußischen Akademie der Künste betrieben. Den vor dem Faschismus geflohenen Intellektuellen warf er damals „larmoyanten bürgerlichen Pazifismus“ vor.
  55. Jokostra im Nachwort zu Zeitspindel, S. 61
  56. Zum weiteren Kontext zur Heimkehr s.u. im nächsten Abschnitt. In einem frühen Nachkriegsgedicht „O Mensch, zerbrich!“ heißt es, noch im alten, pathetischen Stil: „Es hat der Tod dich ausgespien / und abgetan … / … Glaubst du zu fliehn / Zu Göttern, die vergangen sind? Doch Schuld bleibt Schuld, / Und nirgends wird, o Mensch, dir deine Schuld verziehn: / Die Erde trank zu viel von deines Bruders Blut“ [Manuskript in einem amerikanischen Oktavheft, vermutlich noch während der Kriegsgefangenschaft geschrieben]
  57. Sehr deutlich etwa in „Die Jahre hinab“; dort lässt er den Protagonisten auch räsonieren, dass gläubige Reue ihm nicht viel helfen könne, weil die Schuld und deren nicht endende Bestrafung bleibe. Siehe auch das Gedicht „Einverständnis“.
  58. ca. 1949, In Gedanke und Form, hat man bei den Gedichten Die Tänzerin und Alles ruht noch den Eindruck, als sei nichts geschehen, der Expressionismus zeitlos überdauernd.
  59. Eine Reise, ein Tag, eine Rose im gleichnamigen ersten eigenen Gedichtband 1968
  60. Eine vollständige Listung der Veröffentlichungen findet sich in Abschnitt 4.
  61. Heimkehr in: Das Gedicht, 3. Jahrgang 1956/57, hrsg. von Rudolf Ibel, Christian Wegener Verlag 1957
  62. Noch immer, ebenda
  63. Alles, was schwer war an dir, in Das Gedicht, ebenda
  64. Wenn wieder die Würgengel schrein, ebenda
  65. Zu deuten nichts, in: Weyrauch (Hrsg.), Expeditionen, 1959, S. 31. Der legendenumwobene Tausendjährige Rosenstock am Dom von Hildesheim, Wahrzeichen der Stadt, erneuerte seinen Ruf ewiger Unzerstörbarkeit, als er nach deren Bombardierung 1945 aus den Trümmern des Doms wieder emporwuchs. Das Gedicht jedoch sieht auch „Belsazars / Feurige Schrift an der Wand“, die, geschildert in einem Heine-Gedicht, dem im Feierrausch überheblich lästernden babylonischen König Belsazar den Tod prophezeit.
  66. namentlich in allen Jahrbüchern von „Lyrik aus dieser Zeit“, etwa ab der Mitte herausgegeben vom damals renommierten Schriftsteller Wolfgang Weyrauch [Vollständige Veröffentlichungs-Liste im Anhang]
  67. Lyrik aus dieser Zeit 65/66
  68. University of Texas at Austin, Dep. of German Languages, Dimension. Contemporary German Arts and Letters Vol. V, Nr. 1, 1972 und Vol. VII, Nr. 1, 1974. 1972 unter dem Titel Langwierige Prozesse / Wearysome Proceedings, 1974 unter dem Titel Plus Minus Null. [Vollständige Daten im Anhang]
  69. Dimension V,1972, a.a.O. Beide Gedichte, Ohne Ort und Seid unbesorgt, waren kurz zuvor in Deutschland erschienen, in Meine Waffe Bleistiftstummel, 1971. Als interpretatorischer Hintergrund kann neben dem Thema der Nichtankunft in der Heimat auch die Vergegenwärtigung der Kuba-Krise von 1962 helfen: Sie führte vorübergehend auch weiteren Kreisen der Bevölkerung vor Augen, wie nahe Europa und die Welt am Abgrund einer atomaren Eskalation leben.
  70. so der vollständige Text des Gedichts Flüchtige Miniaturen, S11
  71. Täusche dich nicht, S. 27. Hieronymus Bosch, ein Maler der Renaissance, ist bekannt für seine ausufernd phantasievoll apokalyptischen Gemälde von Sünde und Hölle.
  72. dort S. 35. Ophelia war die heimliche Geliebte Hamlets bei Shakespeare. Der für den Lyriker einschlägigste Zugang zum Thema dürfte aber ein besonderer sein: Arthur Rimbaud löste mit seinem Gedicht Ophélie (1870) das Sujet weitgehend aus dem Kontext der verzweigten Hamlet-Interpretationen. Als Jahrtausende alte Wasserleiche wird Ophelia hier zur Muse des Dichters, der, ihr nachsinnend, in ihren Träumen sich selbst findet. So wird Ophelia erst durch seine Verse literarische Realität. [„Auf stiller, dunkler Flut …/… schwimmt Ophelia bleich“, „Von Liebe träumtest du, von Freiheit, Seligkeit / … Nun sagt der Dichter, daß im Schoß der Nacht du bleich / die Blumen, die du pflücktest, suchst …“] Dieses Gedicht löste in der Übersetzung von Karl Klammer (1907) im vorweltkrieglichen deutschen Expressionismus geradezu eine „Schwemme so genannter Wasserleichenpoesie“ aus. Das Thema Rimbauds wurde von Georg Heym, Gottfried Benn, Georg Trakl, Paul Zech bis nachfolgend hin zu Bertold Brecht variiert. [Dies ausführlich bei Barbara Glöckler, Ophelia und die Wasserleichen: Die Rimbaud-Rezeption im deutschen Expressionismus, dort finden sich auch der vollständige Text von Rimbaud/Klammer sowie zweier Variationen vom Heym.]
  73. Fortgegangen bin ich, S 51
  74. Diese Gedichte in ihrer Vielfalt zu paraphrasieren oder gar zu erläutern, wäre ein schwieriges Unterfangen und würde, selbst unvollständig, jeglichen Rahmen sprengen. Im folgenden daher eine sehr selektive Zusammenstellung einzelner Zeilen.
  75. Krüglein Vergißmeinnicht , in Meine Waffe Bleistiftstummel, S 27. Im Gegensatz zur Vergißmeinnicht als bekanntem Symbol zärtlicher Erinnerung steht die Distel symbolisch für eindringende, tödliche Bedrohung, auch für Leid infolge von Sünde. So heißt es nämlich schon im Alten Testament nach dem Sündenfall:  „Verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen … “ (1. Mose 3,17f).
  76. Bagatellen 5, in Meine Waffe Bleistiftstummel, S 32
  77. Wir sind in der Zeit in Bleistiftstummel, S. 8. Vielleicht bezieht sich die Allegorie auf die verbreitete Benutzung der leicht zurechtzubiegenden Birkenzweige zur Tarnung von Soldaten und Kriegsgeräten. Aber auch ein weiterer Bezug klingt an: Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau war das größte (und im nachhinein vielleicht bekannteste) Arbeits- und Vernichtungslager im NS-System.
  78. Zwischen den Silben in Zeitspindel (1975), S. 38
  79. Vorsorglich sagen wir allen, in Bleistiftstummel, S. 13
  80. Flugblatt in Bleistiftstummel, S. 36
  81. Ausblicke, Bleistiftstummel, 38
  82. Hüben wie drüben in Zeitspindel, S. 26
  83. Nichts sonst, in In erster Person Einzahl, S 26. „Drüben“ war der gängige Jargon für die DDR, deren Namen auszusprechen bis Anfang der 1970er einer – sanktionierten – Unterstützung des „DDR-Unrechtssystems“ gleichkam. Zeitungen, Politiker, Lehrer und andere Beamte usw. behalfen sich bis dahin bekenntniskonform mit „Mitteldeutschland“ („Ostdeutschland“ war demnach der Westteil Polens), dann „Ostdeutschland“, „SBZ“ bzw. „Zone“, später „sogenannte DDR“. Von Hamburg nach Berlin fuhr noch in den 1970er Jahren der „Interzonenzug“. Erst Ende 1972 wurde die DDR seitens der BRD durch den „Grundlagenvertrag“ anerkannt.
  84. Sie wissen Bescheid, in In erster Person Einzahl.
  85. 1972, zwei Jahre vor Veröffentlichung des Gedichts, erließ die Brandt-Regierung den „Radikalenerlass“, der, politisch hoch umstritten, die lange Tradition der „Berufsverbote“ fortsetzte. Er initiierte insbesondere für angehende Lehrer geheimdienstliche Beobachtung und Gesinnungsbefragung. Das führte auch im europäischen Ausland zu Besorgnis, und „Berufsverbot“ ging als bedenkliches Fremdwort in den französischen und englischen Sprachschatz ein. Schon 1950 gab es den so genannten Adenauer-Erlass, der die auslegbare Regelung des Beamtengesetzes strafverfolgbar machte, dass die „im Dienste des Bundes stehenden Personen […] sich durch ihr gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsauffassung bekennen“ müssen. Auch wenn Walter Richter-Ruhland davon sicherlich nicht persönlich betroffen war, dürfte dieses Verdikt bei seinem staatlichen Arbeitgeber durchaus virulent gewesen sein. Spätestens im Zuge der „Wiederbewaffnung“ (Mitte der 1950er) und folgend der „Spiegel-Affäre“ (1962) kam es über den Staatsdienst hinaus zu Übergriffen gegen die Pressefreiheit mit Protesten und anschließender Regierungskrise.
    In den USA / „Amerika“ – in der jungen Bundesrepublik für viele ein verklärter Inbegriff für Freiheit – beherrschte bis Mitte der 1950er Jahre die so genannte McCarthy-Ära das innenpolitische Klima. Sie war geprägt durch eine staatliche Doktrin, in der sich hysterischer Antikommunismus mit Verschwörungstheorien und einem Schuss Antisemitismus vermengte. In ihren oft öffentlichen „Befragungen“ wurden willkürlich Verdächtigten hochnotpeinliche Gesinnungsfragen gestellt und Bekenntnisse abgefordert. Außerdem erwartete man, dass Verdächtigte zwecks Gesinnungsbezeugung andere „verdächtige“ Personen aus dem eigenen Umfeld denunzierten. Diese Kampagne richtete sich auch gegen Schriftsteller, die zuvor vor dem Nationalsozialismus in die USA geflohen waren. Sogar Thomas Mann, damals für viele geradezu Sinnbild integren deutschen Schriftstellertums, wurde dort bezichtigt, ein „weltweit bedeutender Apologet von Stalin & Co“, zu sein, und öffentlich verhört. Gleiches widerfuhr auch Bertold Brecht, während sich der damals populäre Komponist Hans Eisler der Befragung gleich durch erneute Flucht entzog. Charly Chaplin verarbeitete diese Vorgänge gallig in seinem Film „Ein König in New York“ – und wurde dann selbst vorgeladen.
    Walter Richter-Ruhland pflegte auch persönlichen Kontakt nach Ungarn, zu dortigen Verwandten [erwähnt in Zeitspindel, S. 42]. So dürfte ihm auch die Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 nahe gegangen sein – mit der jüngeren Parallele des Einmarsches von sowjetischen und DDR-Truppen in Prag 1968. Und nach dem „Tauwetter“ (in Folge des XX. Parteitags der KPdSU 1956 mit der „Stalin-Kritik“) wurden immer mehr Einzelheiten bekannt wie die massenhaft erpressten Selbstbezichtigungen in den osteuropäischen Schauprozessen der 1950er Jahre, u.a. auch in Ungarn.
  86. In erster Person Einzahl im gleichnamigen Gedichtband 1974
  87. Nachrichten von morgen, in In erster Person Einzahl, S. 10
  88. Manchmal, nachts in Zeitspindel, S. 11
  89. Vielleicht auch gefälscht, in Einzahl, S. 14
  90. Zeitspindel, S. 45
  91. Jenseits, in Einzahl, S. 21
  92. Nicht mehr warten, in Einzahl, S. 24
  93. Nichts sonst, in Einzahl, S. 26
  94. Kalliste erschien 1974 in einem anderen Verlag fast gleichzeitig mit seinem Vorgänger „In erster Person Einzahl“
  95. „Kalliste“, griech. καλλίστη, ist der Superlativ Femininum zu καλός /kalos mit der Grundbedeutung „schön“. Man vermutet, dass schon in der Antike griechische Besucher Korsika neben „einheimisch“ Κύρνως /Kyrnos auch „Kalliste” nannten, eben „die Schönste“.
  96. Kalliste, S. 28. Seneca (ca. 1 n.Chr. bis 65 n.Chr.) war aufgrund einer Intrige in Rom nach Korsika verbannt worden und widmete sich dort – notgedrungen – den klassischen griechischen Philosophien. Diese richteten sich auf innere Harmonie durch Bescheidenheit in Zielen, Wünschen und Lebensführung in Verbindung mit kosmischer Welt(ein)sicht. Bekannt sind seine darauf sich gründenden Trostschriften von der Insel. Seine Rezeption war bis vor wenigen Jahrzehnten primär philosophisch, sein politisches Leben blieb dagegen marginal.
  97. z.B. Landschaft in Zeitspindel, S.15
  98. z.B. Ich, S. 19
  99. Wer erinnert sich noch? S. 22
  100. Andere werden kommen, S. 8; Immer schon haben die Alten, S. 28
  101. Eine Dichtung, S. 31, Hinter Lipsa, S. 41
  102. Er muss klar sein, S. 40; Vita, S. 32
  103. Fort wollte ich, S. 17; Ich weiß, ich weiß, S. 18; Bäume, S. 33
  104. Alt, alt, S. 23; Vita, S. 32
  105. Die Dinge des Lebens und Sterbens, S. 30
  106. Komm herab, S. 35
  107. Das damals aufkommende Medium „Taschenbuch“ (Leimbindung, billiges Papier und Pappeinband) war auf die preisgünstige Massen-Verbreitung ausgelegt, in diesem Fall von ausgewählten historischen und zeitgenössischen Texten. Sie sollten (und durften) nicht ehrwürdig in Bibliotheken stehen, sondern sollten für jedermann zum Hausgebrauch zur Hand sein.
  108. Die Leibeigenschaft wurde in Russland erst 1861 aufgehoben, aber auch danach blieben die Abhängigkeitsverhältnisse auf dem Lande von adliger Grundherrschaft weiterhin erdrückend, etwa durch Pacht und Zins. Andererseits gab es in den folgenden Jahrzehnten einen stürmische Aufbau einer stark zentralisierten industriellen Fabrik- und Infrastruktur. Diese Entwicklung stand unter liberalisiert westeuropäischem Kapital- und Kultur-Einfluss, mit rüde proletarisierten Bauern unter einer überkommen autoritär strukturierten Zarenherrschaft, mündend in die bekannten gesellschaftlichen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts.
  109. in wissenschaftlicher Transliteration Anton Pavlovič Čechov, so auch z.B. in Kindlers Literatur-Lexikon eingeordnet, in der Goldmann-Reihe vertreten durch „Der Mensch im Futteral“ und „Der Mord“
  110. Gleichwohl bekam Bunin 1933 als erster russischer Schriftsteller den Nobelpreis.
  111. Walter Richter-Ruhland, Vorwort zu „Ein Herr aus San Franzisko“
  112. ein Pseudonym, übersetzt „Der Bittere“
  113. ca. 1918 bis ca. 1921/1922. Hier kämpften nicht nur innerrussische politische Formationen („Rot“ gegen „Weiß“) um die Macht, sondern auch regional nationalistische Verbände, durchweg mit Einmischung der ausländischen Großmächte aus dem 1. Weltkrieg. In der recherchierten Erzählung „Sie kam aus Mariupol“ von Natascha Wodin, 2017, in der die Autorin der Biografie ihrer Mutter nachgeht, zählt deren Tagebuch für die südukrainische Stadt Mariupol im Verlauf des Bürgerkriegs 17 Wechsel der städtischen Verwaltungsmacht. Es gab dort in der Ukraine die Weiße Garde, die Bolschewiki, Nationalisten (Simon Petjula), „Anarchisten“ unter Machno und am schlimmsten, brutalsten die Banden ohne Flagge, denen es primär ums Plündern ging.[dort S. 118] Der Begriff „Revolution“ ist naturgemäß umstritten, aber auf die Russische Revolution im Verlauf des Jahres 1917 mit ihrer Kulmination in der so genannten Oktoberrevolution als grundlegende soziale Umwälzung zweifellos anwendbar.
  114. Vor allem für den nachfolgenden groß angelegten Roman „Der stille Don“ erhielt der Autor 1965 den Nobelpreis.
  115. Das Gespenst des „russischen Untermenschen“, Gegenbild zum „arischen Übermenschen“, war in der nationalsozialistischen Ideologie geprägt worden. Im Kalten Krieg war es noch immer an Stammtischen und in Boulevard-Blättern volkstümlich virulent, mitunter auch in seiner Überformung des „Sowjets“, eines geist- und willenlosen Befehlsausführers. Dass ausgerechnet in Deutschland, wo der Krieg gerade bis zum bitteren Ende qua dumpf-nazistischer Befehlsbefolgung geführt worden war, dieses Bild von Russland (wo der vorangegangene Krieg durch eine Revolution beendet worden war) entstand und über den Faschismus hinaus Bestand hatte, muss man wohl zu den vielen Ironien der Geschichte (oder banal psychologisch zur Kategorie der Projektionen) zählen.
    Wie tief diese Diskriminierung und die daraus resultierende Phobie saß, beleuchtet eine private Anekdote: Als Walter Richter-Ruhland in das Mietshaus in Hildesheim einzog, hatte er im Zusammenhang mit seiner Übersetzungstätigkeit eine deutsch-russische Literaturzeitschrift abonniert. Als dies im Haus an den Briefkästen ruchbar wurde, mied man ihn, den (partei)politisch eher konservativ Eingestellten, erschreckt als „Kommunisten“ oder, wie es damals auch hieß, „von Moskau gesteuert“. In seinem unmittelbaren Umfeld sorgte das für Erheiterung und Kopfschütteln.
  116. also zu einem Zeitpunkt, als Stalin seine diktatorische Macht in Partei und Staat weitgehend vollendet, jegliche Opposition liquidiert hatte und eine radikale wirtschaftliche Zentralisation mit Zwangskollektivierung einsetzte, die in Hungersnöte mündete. Das Buch entstand jedoch bereits 1924, vermutlich zunächst als Kinderbuch. Stalins Gegenspieler Trotzki (der übrigens wie Olescha in Odessa aufgewachsen war) bezeichnete Stalins Herrschaft um 1924 zunächst als Triumvirat, als Dreierbündnis zwischen Stalin, Kamenew und Sinowjew, bis Stalin seine beiden Mitherrscher 1926/1927 endgültig entmachtete. [Alle Angaben über Entstehung, Titel und Erscheinungsdaten nach Kindlers Neues Literaturlexikon, hrsg. von Walter Jens, Studienausgabe 1988. Die Daten stimmen mit den Angaben aus der deutschen Einleitung des Romans von 1961 überein. Wikipedia hingegen ist diesbezüglich ungenau, folglich auch Netz-Einträge, die die Daten ungeprüft übernehmen.]
  117. Mit seiner überdreht burlesken Komik erinnert der Text eher an die Tradition von Monty Python, namentlich an Terry Gilliams Film „Brazil“. Die Schilderungen aus einer dystopischen, vorgespiegelt vorsozialistischen Zeit, jedoch mit Herrschaft eines Triumvirats (siehe vorangehende Anmerkung), geben sich harmlos, „tongue in the cheek“, wie man im Englischen sagt. Beispiel aus dem Text: Unter Bedrohung durch Revolte „… trat [der Staatsrat] zu einer Beratung zusammen … Die Drei Dicken ließen ihr Gewicht vom Palastarzt auf der Waage kontrollieren. Hierbei stellte sich heraus, daß sie trotz der Aufregung nicht eine einzige Unze Fett eingebüßt hatten. Zur Strafe wurde der Oberarzt bei Wasser und Brot in Arrest gesetzt.“[S.43] Zu allem anderen litt Stalin bekanntlich fortschreitend unter der Berufskrankheit seines Diktatoren-Standes, der Paranoia, was später gar in eine erfundene Ärzteverschwörung gegen ihn mündete.
  118. etwa in der Schilderung kindlicher Ängste [Die Kette] oder des Sterbens [Liompa]
  119. Der Kirschkern, in Die drei Dicken, S. 160 und . 165
  120. Liebe, in Die drei Dicken, S. 176. Der Original-Text erschien 1929 vor dem Hintergrund von Mangelwirtschaft, Hunger, politischen Verfolgungen und Massendeportationen. Gemäß der offiziellen, sich verfälschend auf Marx beziehenden stalinistischen Doktrin war Parteimitgliedern im Namen einer objektiv-wissenschaftlichen Weltanschauung jegliche Religion und mithin auch der Glaube an das (religiöse) Paradies verboten – das Paradies hatte die Sowjetunion als damals proklamiertes „Arbeiterparadies“ zu sein. Insgesamt geht es in dem Text um den Widerstreit zwischen objektiv-realistischer und individuell gefühlsmäßiger Wirklichkeitsauffassung in einem sich verliebenden Protagonisten, symbolisiert durch Farben (daher die Figur des „Farbenblinden“).
  121. Walter Richter-Ruhland, Einleitung zu Die drei Dicken. Die Rede trug Olescha dann seine Ächtung bis in die 1960er Jahre ein (er starb aber bereits 1960 alkoholkrank).
  122. Wissenschaftliche Transliteration Zoščenko, Michail Michajlovič. Unübertroffen sein sarkastischer Titel „Schlaf schneller, Genosse!“ Soschtschenko ist in der Übersetzungsreihe vertreten mit „Der Flieder blüht“.
  123. [Einführung zum Buch]. Es gibt viele Zeugnisse zum nachrevolutionären Polit-Jargon mit seinen unzähligen Akronymen und verformelten Wortverbindungen. Auch damals war diese informelle Normierung von Sprache geeignet, Insider von der Masse abzusetzen und verunsicherte Nachahmung hervorzurufen. Über den Insider-Jargon hatte sich schon Lenin in einem kurzen Artikel abfällig geäußert (u.a. über das Wort „Komsomolze“). Einschlägige Beispiele von „revolutionären“, fortschrittsbegeisterten Sprachneuerungen finden sich auch in der genannten Erzählung/ Recherche „Sie kam aus Mariupol“ von Natascha Wodin von 2017. Das ging bis hin zu „zeitgemäßen“ Namen für Neugeborene: „Kin“ (= KI/ Kommunistische Internationale), „Traktor“, „Energie“, „Trolen“ (=Trotzki-Lenin) [dort S. 128]
  124. Im familiären Kreis hat Walter Richter-Ruhland manchmal Passagen aus den Erzählungen von Olescha und Soschtschenko vorgelesen, wobei er sich des öfteren vor Lachen unterbrechen musste.
  125. Seiten 5 und 8. Neurasthenie, übersetzt „Nervenschwäche“, war zur damaligen Zeit ein verbreiteter diagnostischer Sammelbegriff und galt als (bürgerliche) Modekrankheit. Allerdings definierte man sie als nicht körperlich, sondern als durch die Umwelt bedingt.
  126. Lektorat Kiepenheuer & Witsch, Klappentext zu Die Jahre hinab, 1956
  127. Brief des Verlagsleiters Joseph C. Witsch an „Lieber Herr Richter-Ruhland“, Köln, den 25. Januar 1956, [vorliegend als Durchschlag] in dem es ansonsten um verschiedene Veröffentlichungsprojekte des Autors ging, die sich der Verlag gerne exklusiv vorbehalten wollte.
  128. J.F., Neuer Dichter am Vortragstisch. Walter Richter-Ruhland in der Buchstunde, in Hannoversche Presse 24. März 1956. Dort ebenfalls vorgetragen: „einige Gedichte“ und „die starke Wirkung, die von der die Vorlesung beschließenden Erzählung eines tragischen Erlebnisses zwischen Kindheit und Jugend ausging“. [ebenda; gemeint vermutlich „Die Katze“]
  129. R.I., Aus den Aufzeichnungen eines Sonderlings, Rezension der Neuerscheinung mit vollständigen bibliografischen Angaben [also wohl zeitnah nach Erscheinen 1956], o.O. [Der vorliegende Zeitungsausschnitt ist ohne Informationen über Zeitung und Datum; dem Schriftsatz nach könnte es sich um die FAZ handeln]. Indirekt kann man in dieser Rezension interpretatorisch auch eine zeigefingerbestückte Warnung lesen, wo eine solche Verweigerungshaltung hinführe: „hinab“. In der Reihe „von Villon bis Knulp (…) wäre (er) dann das ganz unromantische und unsentimentale, radikale Ende.“ [ebenda]
  130. Franz Schonauer, Revolte gegen das Sozialkollektiv, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Juli 1956. Die Namens-Angabe zum Autor lautet dort fälschlich Werner Richter-Ruhland, in Verwechselung mit Hans Werner Richter, dem führenden Kopf der im Nachkriegsdeutschland literarisch einflussreichen „Gruppe 47“. Der Rezensent Franz Schonauer, der der „Gruppe 47“ nahe gestanden haben soll, versteht den Text von Walter Richter-Ruhland offenbar zu Recht auch als Angriff und kann seine Aversion gegenüber dem „Negativismus“ – ein damals gängiges Verdikt gegen die Kritik herrschender Werte der betörend aufsteigenden Konsumgesellschaft – kaum verhehlen, zumal, so argumentiert er, eben jener Wohlstand dem Protagonisten doch erst den Luxus der Kritik ermögliche, die man sich gesellschaftlich als individuelle Gegenstimme durchaus leisten könne und solle. Dem Rezensenten ist die Erzählung eine individuelle, wenn auch das Bild ergänzend notwendige Einzelerscheinung – und er versteht es zugleich, in seiner Rezeption jeglichen Bezug zur kollektiven Vergangenheit, zum alle Werte zerstörenden nationalsozialistischen Krieg und seinen ewigen Gewinnlern (die antagonistische Figur des Kaule) konsequent auszuklammern.
  131. Die Romanfigur des Oblomow von Iwan Gontschorow verkörperte Mitte des 19. Jahrhunderts geradezu den „Typus des durch Herkunft und Standesgewohnheiten zu ausgiebiger Faulheit und gänzlicher Passivität designierten russischen Adligen“. [Wikipedia]
  132. Karl Krolow, Leben eines Sonderlings, in Hannoversche Presse 07. Juli 1958. Krolow identifiziert hier mithin den durch Faschismus und Krieg aus der Spur Geratenen mit dem Sinnbild des überkommenen, faul verprassenden russischen Adels – Oblomow – und verortet in ihm einen zeitlos wiederkehrenden, nicht aber nachhaltigen kauzigen Typus der Literatur.
  133. Lektorat Limes Verlag, Umschlagstext zu Eine Reise, ein Tag, eine Rose, 1968
  134. Karl Krolow, Zum Vergessen entschlossen, in Literaturblatt der Stuttgarter Zeitung Nr. 83, 10.April 1971, S. 52. Der Verfasser des vorliegenden Artikels ist sich im übrigen nicht ganz sicher, ob der Rezensent Karl Krolow den Autor Richter-Ruhland nicht missversteht, indem er die hinter lakonischen Wendungen stehende Distanzierung oder gar Ironie trotz Benennung dann im einzelnen doch nicht wahrnimmt. In seiner Rezension bemerkt Krolow im damaligen post-68er Umfeld mit seinen oft grell proklamierenden Texten kritisch, dass „rasche Veränderung und Diskontinuität jeder Spielart zur Lage des deutschen Gegenwartsgedichts zu gehören scheinen, in den [sic] … mit methodischer Verbissenheit bei manchen experimentiert wird“ . Daraufhin schließt er augenscheinlich fälschlich von seiner allgemeinen Wahrnehmung auf die zu rezensierenden Gedichte. Denn Krolow sieht in von ihm zitierten Passagen mit dem Pronomen „wir“ beim Autor eine ganz neue, kollektive Entschlossenheit zum Vergessen (siehe auch den Titel der Rezension): „Wir sind entschlossen, die Zukunft / ebenso zu vergessen wie / das Gestern und Vorgestern“. Das missversteht er als nunmehr aktuell „programmatisch“ für den Lyriker, statt die Zeilen kontextuell als Zustandsbeschreibung verlorener Nicht-Heimkehrer und kritisch betrachteten gesellschaftlichen Trend zu erkennen. Wenn es einen roten Faden in Richter-Ruhlands Werk gibt, dann den, dass es nicht gelingen kann (und darf), die Vergangenheit zu vergessen. Es sind vielmehr seine zeitgenössischen Rezensenten, die, besonders auffällig bezüglich der Romanerzählung, jeglichen Bezug zur Vergangenheit aussparen, um den Erzähler und die Thematik als individuelle, schrullige Sonderheit abtun zu können. Dazu gehörte nicht zuletzt auch Karl Krolow mit seiner Charakterisierung des Romans als „Dokumentationen eines in unsere rastlose und ratlose Gegenwart verschlagenen Oblomow“.[s.o., Kap. 3.1.5.] Die nun von Krolow als programmatische Novität angesprochenen „Wir“-Gedichte entstammen im übrigen der Reihe „Nachrichten aus dem Exil“, die schon im Mai 1968, also zur Zeit seines ersten Gedichtbands, für Radio Bremen zusammengestellt worden waren. Mithin ist auch jene unterstellte Entwicklungsrichtung (vom „ich“ zum „wir“) schon rein zeitlich nicht zutreffend.
  135. Peter Jokostra, Heimkehr zur Unzeit, in Die Welt der Literatur, Nr. 9, 24. April 1969, [Beilage zur Tageszeitung Die Welt] Rezension zu: Eine Reise, ein Tag, eine Rose; Auszüge davon gleichlautend verlagsseitig zitiert in Zeitspindel als Artikel in der Rheinischen Post
  136. NN, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, verlagsseitig zit. in Zeitspindel
  137. Basler Nachrichten, zitiert in einem Verlags-Avis zu „Zeitspindel“ [Juni/Juli 1975]
  138. AH, Nur für kurze Zeit anwesend. Zu Gedichten von Walter Richter-Ruhland im Wiesbadener Kurier 03.04.1976. Bei „AH“ könnte es sich etwa, nur den Initialien und dem Metier zufolge, eventuell um Alexander Hildebrandt oder auch um Anselm Heyer handeln Danke für diesen Hinweis an Ralf Gnosa.
  139. [die österreichische Schriftstellerin] Ilse Tielsch Felzmann in der Zeitschrift der gleichnamigen österreichischen Schriftstellervereinigung Podium, Nr. 20, Mai 1976.
  140. Im Impressum befinden sich ein Preis in DM (ab 1946, Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft aber erst 1948) und eine Zeitungs-Lizenz der Militärregierung (erforderlich bis 1949)
  141. Tréboles = (span.) Kleeblätter
  142. Daten und Titel zu Die drei Dicken und Liebe nach Kindlers Neues Literaturlexikon, hrsg. von Walter Jens, Studienausgabe 1988; sie stimmen mit den Angaben aus der deutschen Einleitung des Bandes überein, nicht jedoch mit den (diesbezüglich ungenauen) Angaben in Wikipedia.
  143. gem. Nummerierung nach vorgenanntem Gorki-Band von 1962